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Reise

Lustwandeln auf dem Tappeinerweg in Meran

Der Franz, der kann’s! Die despektierlich klingende Feststellung bezieht sich auf den  Südtiroler Arzt, Botaniker und Anthropologen Dr. Franz Tappeiner (1816-1902), der im Vinschgau (Laas) geboren wurde, und sich nach dem Medizinstudium 1848 als Arzt in Meran niedergelassen hatte. Über die Stadtgrenzen hinaus wurde er durch Erfolge im Kampf gegen Tuberkulose bekannt; er setzte außerdem auf neue Frischluft-Therapien, wobei er das milde Klima im Etschtal ausnutzte. 

Tappeiners Idee war, einen Spazierweg in gesunder Luft anzulegen, um die Heilbehandlung kranker Menschen auf natürliche Weise zu unterstützen. Dafür hatte der zu Wohlstand gekommene Arzt zunächst 9.000 Gulden (heute etwa: 130.000 Euro) gestiftet, um den schon in Fragmenten vorhandenen Pfad zur Gesundung von Bürgern und Kurgästen auf- und auszubauen. Später schoss er weitere Summen nach. Die Länge von etwas über drei Kilometern wurde allerdings erst nach mehreren Bauetappen um 1928 erreicht.

Bei jedem Spaziergang verstehe ich, warum dieser Weg zu den schönsten Höhenpromenaden Europas zählt. In vielen Jahren haben wir die Mischung aus alpiner und mediterraner Vegetation bewundert und genossen. Uns begegnen Pinien, Himalaya-Zedern, Ölbäume, Korkeichen, Eukalyptus, Bambus, Agaven, Magnolien und Feigenkakteen. Wieviele mögen es sein? Eine Informationstafel gibt uns Antwort und erzählt, dass rund 400 verschiedene Pflanzen den Wegesrand schmücken, Palmen verschönern das Bild. Und fast bei jedem Schritt fällt der Blick auf die Dächer der Stadt mit der St. Nikolaus-Kirche im Zentrum.

Pulverturm, Pforte, Kräutergarten und Palme am Tappeinerweg. (Fotos: Oliver Stör)

Rastbänke und Aussichtsplätze laden zur Ruhe ein, im Restaurant Schlehdorf laben wir uns an leckerem Apfelstrudel, schlürfen Cappuccino und überlegen: Gewiss, Meran bietet als Kurstadt viel Interessantes. Die Winterpromenade an der sprudelnden und sommers manchmal trägedünnen Passer lädt zum Verweilen ein, Schloss und Dorf Tirol liegen hoch über der Stadt, genauso wie Schloss Trauttmansdorff, das sich in den vergangenen Jahren zum „Hotspot” für die Touristen entwickelt hat. In Lauben und Kurpromenade werden in Geschäften und Cafés Waren und schmackhafte Köstlichkeiten aller Art feilgeboten. Die Rennbahn am grünen Stadtrand lockt die Pferdefreunde. Doch trotz all dieser Attraktionen strahlt der Tappeinerweg einen besonderen Reiz aus. 

Der Spazierweg führt auf etwa 380 Meter Höhe vom Küchelberg über den nordöstlichen Hang entlang des Stadtzentrums. Hier zu lustwandeln ist ein Genuss ohne Reue, obwohl die von der Werbung ausgestreuten Bezeichnungen als „Empore der paradiesischen Szenerie des Burggrafenamtes“ oder als „Krone Merans“ ein wenig zu hoch gegriffen erscheinen. Gleichwohl nehmen wir den Weg als Labsal wahr.

Woher kommt man, wohin geht man? Es bleibt sich gleich. Von Meran aus gibt es mehrere Zugänge. Wir sind schon über den Tiroler Steig hinter der Stadtpfarrkirche (eine steile Treppe mit 100 Stufen) emporgestiegen, von der Galilei-Straße (nähe Talstation Sessellift zum Dorf Tirol) in Serpentinen nach oben gewandert, haben den Weg durch Lauben und Altstadt Richtung Zenoburg genommen und über Winter- und Gilfpromenade den Tappeinerweg ebenfalls erreicht. Bei diesen fußläufigen Varianten sind Aufstiege unvermeidbar. Wer von Gratsch aus entgegengesetzt spazieren möchte, kann mit einem Bus der Linie 236 vom Stadtzentrum zum Haltepunkt am Café-Restaurant Unterweger fahren oder sich mit Sessellift und Bus nach Dorf Tirol begeben, um von dort über den Gnaidweg zum Tappeinerweg abzusteigen.

Sonnenschein am Tappeinerweg in Meran. (Foto: Henry Czauderna/stock.adobe.com)

Vom Unterweger aus hat der rund drei Kilometer lange, ebene Weg ein kaum spürbares Gefälle und zum Finale geht es auf jeden Fall talwärts. Aus welcher Richtung der Spaziergänger auch kommt: Tappeiner-Büste, der Pulverturm – der Name sagt, welchem Zweck er einst diente –,  sowie der Kräutergarten am Küchelberg sind sehenswerte Punkte.