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Virtueller Abenteurer des Schienenstrangs

Vom Frankfurter Flughafen fährt die S-Bahn in 13 Minuten zum Hauptbahnhof der Mainmetropole. Die an sich extrem kurze Reise (12 km) lässt sich allerdings auch in 16 Stunden und 12 Minuten bewältigen, wobei die meisten Schnellfahr- und Ausbaustrecken Deutschlands befahren werden. In der Realität wäre eine solche Fahrt ein absonderliches Unterfangen, doch als virtuelle Reise am Computer bereitet sie Spaß. Weil es eine reine „Vergnügungsreise“ ist, muss ich mich nicht um Fahrkarten und Sitzplatz-Reservierungen kümmern, muss nicht von den gigantischen Milliardenbeträgen reden, die der Steuerzahler für den Ausbau der Strecken aufgebracht hat, um kürzere Fahrzeiten zu erreichen. Und auch die berechtigten Proteste der Anwohner entlang der Trassen sind anderes Terrain.

Die „Inbetriebnahme“ der Schnellbahnlinie von Berlin nach München im Dezember 2017 hat mich zu dieser virtuellen Rundreise durch die Republik animiert. Meine am Schreibtisch ausgewählte Route beginnt am Fernbahnhof des Flughafens und soll am Hauptbahnhof enden. Sie führt über Mannheim, Stuttgart, Ulm, Augsburg, München, Nürnberg, Erfurt, Halle, Berlin, Hamburg, Hannover, Würzburg bis zum Endpunkt in der Frankfurter Innenstadt. Alles in allem dauert die „Reise“ 16:12 Stunden, davon beträgt die reine Fahrzeit 13:41 Stunden, die Warte- und Umsteigezeiten in den Bahnhöfen liegen bei 2:31 Stunden.

Reisebeginn

An einem Mittwoch steige ich frühmorgens gedanklich in den Zug, um pünktlich um 7.52 Uhr mit dem ICE 101 in Richtung Süden zu starten. Der Zug kommt aus Dortmund mit dem Endziel Basel. Den Hauptbahnhof der Mainmetropole lässt der Zug links liegen, biegt gleich nach der Abfahrt am Airport in das Hessische Ried ab und rollt in Richtung Mannheim (Ankunft: 8:23).

Dort gilt es umzusteigen. Während der ICE 101 in Richtung Basel rauscht, geht es für mich um 8:30 Uhr mit dem ICE 591 weiter. Der kommt aus Hamburg-Altona und hat München zum Ziel. Zwischen Mannheim und Stuttgart nutzt der Zug im Kraichgau die Schnellbahnstrecke (99 Kilometer in 38 Minuten, Spitze 280 km/h). Etwas gemächlicher geht es von Stuttgart über Ulm und Augsburg nach München, wo ich um 11:27 im Hauptbahnhof eintreffe.

Eine knapp halbstündige Pause ermöglicht es, ein zweites Weißwurst-Frühstück einzunehmen, ehe es um 11:56 mit dem ICE-Sprinter 1004 in Richtung Berlin geht. Rasend rauscht der silberne Zug durch das Hopfenanbaugebiet Hallertau und entlang der BAB 9 von Ingolstadt nach Nürnberg und (nach einer langsameren Passage im Raum Bamberg) von Ebensfeld nach Erfurt, dann rollt der Express über die gut ausgebaute Strecke von Erfurt über Halle nach Berlin (Ankunft: 15:51). Die Fahrt von München nach Berlin dauert nur 3:55 Stunden. Wenn die Route komplett ausgebaut ist, wird es noch zügiger gehen.

Der Aufenthalt in Berlin dauert 48 Minuten, ein kurzer Spaziergang rund um den Hauptbahnhof, dem ehemaligen Lehrter Bahnhof, ist möglich, falls es nicht eine der fast üblichen Verspätungen gibt, was am PC-Display  ausgeschlossen ist.

Der ICE 690 fährt pünktlich um 16:39 ab nach Hamburg. Die Reise geht auf der schon seit langem gut ausgebauten Strecke schnell voran. Haltepunkte sind Wittenberge und Ludwigslust. Ankunft in Hamburg: 18.22 Uhr.

Älteste Strecke

Jetzt steht noch die älteste Schnellbahnstrecke der Republik auf dem Programm. Sie wurde in den Jahren zwischen 1973 und 1991 Stück für Stück in Betrieb genommen, und leitet den ICE 685 aus Hamburg (Abfahrt dort um 19.01) über Göttingen, Kassel, Fulda nach Würzburg. Die Piste ist zwischen Hannover und Würzburg 327 Kilometer lang, die Fahrt zwischen den beiden Städten dauert nur knapp über zwei Stunden. (Ankunft um 22.29 Uhr).

Fast alle wichtigen Schnell- und Ausbaustrecken liegen hinter mir. Jetzt geht es ab 22.57 Uhr mit dem ICE 520 in dunkler Nacht durch den Spessart über Aschaffenburg zum Frankfurter Hauptbahnhof. Dieser Trail ist etwas gemütlicher, führt größtenteils in etwas gewundener Trasse entlang des Mains. Wir erreichen den Frankfurter Hauptbahnhof um 0:04 Uhr. Seit der Abfahrt am Flughafen sind 16 Stunden und 12 Minuten vergangen.

Sonderfahrt 

Eine Schnellfahrstrecke musste ich bei der großen Rundreise außen vor lassen, weil sie einfach nicht in den Rundkurs passte. Die bewältigte ich indessen als reale Einzelfahrt: Vom Frankfurter Flughafen (Fernbahnhof) in den ICE 614 nach Brüssel eingestiegen, um 9,09 vormittags abgebraust, vorbei am Wiesbadener Autobahnkreuz und Untertaunus, durch das Kannenbäckerland bei Montabaur, das Siebengebirge tangiert und ausgestiegen im Kölner Hauptbahnhof um 10,05 Uhr. Fahrzeit nur 56 Minuten, Zwischenstopp nur in Siegburg.

Ja, auch das ging flott… Wer andere Züge nach Köln Züge nimmt, ist ein paar Minuten länger unterwegs, wenn es noch Stopps in Limburg und (oder) Montabaur gibt.


Leserzuschrift

Unser Leser Karl Roland Grünwald hat uns nach Lektüre des obigen Beitrags folgende Information zukommen lassen, die wir gerne hier weiterreichen:

Wer viel mit der Bahn unterwegs ist, und sich viel mit Fernverbindungen beschäftigt, kann interessante Entdeckungen machen. So verkehrt ein außergewöhnlicher ICE von Darmstadt nach München. Der Zug Nr. 1223 nimmt nicht den direkten Weg, sondern macht einen Umweg durch das Ruhrgebiet und Ostwestfalen.

Abfahrt in Darmstadt ist um 6.48 Uhr. Danach geht es über Frankfurt (Flughafen), Limburg, Montabaur, Siegburg, Köln-Deutz, Düsseldorf, Duisburg, Essen, Bochum nach Dortmund (9.40 Uhr). Die Route führt danach weiter über Hamm, Soest, Lippstadt und Paderborn. Um 11.02 wird in Altenbeken der nördlichste Streckenpunkt erreicht. Warburg, Kassel (Wilhelmshöhe) und Fulda sind die nächsten Stationen, ehe es über Würzburg und Nürnberg nach München geht, wo der ICE nach 8 Stunden und 12 Minuten um 15.09 Uhr eintrifft. Vor allem für Reisende aus Ostwestfalen ist dieser ICE eine gute Alternative, um ohne Umstieg nach München zu gelangen.“