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Panorama

Walldorfer „Bahnhofsbude“, ein Haltepunkt der Riedbahn

Die Sanierung der Riedbahn-Strecke und der Umbau am Walldorfer Bahnhof in der zweiten Jahreshälfte 2024 warf die Frage nach den Anfängen der Eisenbahn zwischen Mannheim und Frankfurt auf. Wie war das damals, vor rund 150 Jahren, als das kleine Dorf Walldorf im Dornröschenschlaf dahindämmerte? Die Geschichte, 1953 dokumentiert in dem Büchlein „Walldorf – Chronik einer Waldenser-Gemeinde“ von Heinz Martin Braun, erzählt von Menschen, die stundenlange Fußmärsche in Kauf nehmen mussten, um an ihre Arbeitsplätze in der Umgebung (Mörfelden, Kelsterbach, Isenburg, Rüsselsheim, Frankfurt, Groß-Gerau) zu gelangen, zumal Fahrräder heutiger Machart noch in den Kinderschuhen steckten. 

Im Hinterkopf der Leid geplagten Fußmärschler stets die stille Hoffnung, die geplante Eisenbahnlinie würde noch zu ihren Lebzeiten Realität werden und andere Orte schneller erreichbar machen. Die Verhandlungen mit politisch zuständigen preußischen Ämtern, Anliegergemeinden und Grundstückseigentümern zogen sich in die Länge, der Bau brauchte auch seine Zeit, ehe am 17. November 1879 die Bahn durch das Hessische Ried tatsächlich in Betrieb genommen und der Bahnhof Walldorf eingeweiht wurde. 

Aber was sage ich? Bahnhof!? Auf einem vergilb-unscharfen Privat-Foto aus 1889 sehe ich nichts anders als eine Holzbaracke, davor einige männliche Fahrgäste in der damals üblichen steifen Kleidung, einige Uniformierte darunter, kaum erkennbar ob Bahnbedienstete oder Soldaten. An der Außenwand ein schlichtes Schild mit dem Namenszug WALLDORF, in schwarzer Farbe auf weißem Grund. 

Wilhelm Kraft auf der Informationstafel am Walldorfer Bahnhof. (Foto: Erich Stör)

Im Inneren der Baracke vermute ich den Fahrkartenschalter, in dem der respektierte und angesehene „Bahnhofsvorsteher“ Wilhelm Kraft (von 1895 bis 1925) Fahrscheine verkaufte und den Zugbetrieb regelte. Hoch aufragend die Signalanlage, die den Streckenabschnitt freigibt (oder auch nicht). 

Schandfleck

Die Bretterbude wirkt karg und unansehnlich, gleichwohl erwirbt sich der „Haltepunkt“, wie er offiziell heißt, zunehmender Beliebtheit. Die Anzahl der Benutzer steigt. Ein großer Fortschritt für die Einwohner des Ortes. Der „Haltepunkt“ aber gerät wegen seiner Primitivität in die Kritik, wird gar zum Schandfleck des Ortes. Die Verantwortlichen reagieren. Nach 32 Jahren Notbehelf wird ein stabiles und großes Haus errichtet und im Oktober 1911 in Betrieb genommen. In seiner Grundform ist es identisch mit dem jetzigen Bahnhofsgebäude, an dem ein holzbauähnlicher Anbau (Fahrradgarage) an vergangene Zeiten erinnert.

Abgesehen vom Bahnhof wurde Anfang des 21. Jahrhunderts deutlich, dass die 70 Kilometer lange Strecke der Riedbahn renovierungsbedürftig geworden war. Das zweispurige Gleisbett, das die Metropolen Frankfurt und Mannheim verbindet, war dem zunehmenden Verkehr nicht mehr gewachsen, eine Sanierung unausweichlich. Die DB kleckerte nicht, sondern klotzte: Fünfmonatige Totalsperrung in der zweiten Jahreshälfte 2024, Einrichtung eines Ersatzverkehrs mit Bussen, viel Unbill für überregional Reisende oder Menschen, die täglich ihren Arbeitsplatz erreichen müssen.

300 Züge täglich

Bei der Aufbereitung ging es nicht nur um die Gleisanlagen, die mit ICE-Zügen (bis zu 200 km/h schnell), einem Regional-Express, einer S-Bahnlinie und zahlreichen Gütertransporten total überlastet sind (es ist von etwa 300 Zügen täglich die Rede), sondern um die Infrastruktur am Rande. Stellwerke, Signalanlagen und Bahnhöfe mussten neuer Technik angepasst werden, Lärmschutzwände waren ein weiteres Thema. In Walldorf wurden Bahnsteige modernisiert und barrierefrei gestaltet. Nachholbedarf war in vielen Bereichen vorhanden. 

Torre Pellice-Platz am Bahnhof Walldorf. (Foto: Erich Stör)

Moderne Zeiten, doch ein Blick zurück zu den Anfängen und dem alten Haltepunkt Walldorf ist gerade in solchen Zeiten höchst interessant. Und dieser Platz heisst nebenbei bemerkt, fast unbemerkt von den Passanten der Stadt offiziell „Torre Pellice-Platz“ nach der italienischen Partnerstadt in der Nähe von Turin, einer Gegend, aus der die verfolgten Waldenser einst aufbrachen, um Walldorf zu besiedeln..