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Landpartie

„Weiße Rübe“ steht trotzig auf der Veste Otzberg

Die Veste Otzberg ist keine der großen Burgen im Land, keine vom Kaliber wie sie an Rhein, Mosel und überall in Deutschland zu finden sind. Ich blicke bei meinem Besuch auf ein eher kleineres Gemäuer, gleichwohl geschichtsträchtig angehaucht. Dort, wo nach sagenreichem Odenwald nordöstliches Flachland beginnt, ragt ein 358 Meter hoher Basaltkegel aus fast ebenerdigem Geläuf heraus. Auf diesem Hügel hat die Festung 1231 ihren Platz gefunden, knapp 25 Kilometer östlich von Darmstadt.

Die Historie erzählt mir von einer Festung, die von der Reichsabtei Fulda zum Schutz ihrer Ländereien errichtet worden ist, und in den folgenden Jahrhunderten mehrfach die Besitzer wechselte, was auf die extreme Kleinstaaterei im Mittelalter zurückzuführen war. Ob mittelrheinische Pfalzgrafen oder Adlige aus Hanau –, die jeweiligen Herrscher benutzten die Gebäude zur Sicherung ihrer Macht über ihre erbeuteten Ländereien. Deshalb wurde die Festung nur von soldatischen Burgmannen bewohnt. Selbst darin hausen mochten die Großkopferten nicht: Es war ihnen schlichtweg zu primitiv.

Nach mehrfachem Besitzerwechsel gehörte die Burg seit 1803 zu Hessen-Darmstadt, ihre Gebäude dienten als Kaserne und Staatsgefängnis. Jahrzehnte später wurden zahlreiche Bauten abgebrochen, die Festung verfiel zunächst, wurde aber notdürftig am Leben erhalten. Heute gehört die Anlage dem Land Hessen, das bemüht ist, mit hohem finanziellem Aufwand die Veste zu erhalten.

Wie ein Fremdkörper

Herausstechend aus dem zahlreichen Gebäuden, darunter Korporal- und Kommandantenhaus, und direkt oberhalb der Siedlung Hering, fällt mir der gedrungene, weiß leuchtende Bergfried ins Auge. Dieses runde Ding, in den umliegenden Dörfern despektierlich „Weiße Rübe“ genannt, hat eine Höhe  von 17 und einen Durchmesse von zehn Metern und verjüngt sich leicht nach oben. Die Form ist nüchtern und erinnert mich eher an ein Getreide- oder Energiesilo als an einen Bergfried und wirkt auf mich wie ein Fremdkörper  in der Anlage. 

Die nicht ganz maßstabsgetreue Lage der Veste Otzberg. (Grafik: Signale)

Einige Male habe ich bei diversen Odenwald-Touren die Burg besucht, meist führte mich der Weg über Darmstadt, Ober-Ramstadt und Reinheim nach Hering, einem kleinen Ort, der wie die Festung selbst direkt auf dem Kegel klebt, und Teil der Stadt Otzberg ist, die erst im Zuge der Gebietsreform von 1971 entstanden ist und die ehemaligen selbstständigen Gemeinden Habitzheim, Hering, Lengfeld, Nieder-Klingen, Ober-Klingen und Ober-Nauses umfasst.

Blick in die Ferne

Bei meinem letzten Besuch hatte ich Glück. Das Wetter war günstig und der Blick konnte ungehindert in die Ferne schweifen. Auch die anderen Besucher freuten sich, ließ sich an diesem Tag doch bis in den südlich liegenden Odenwald schauen. Im Nordwesten war die Skyline der Bankenstadt Frankfurt zu sehen, dahinter waren schemenhafte Taunus-Konturen erkennbar. Schon wegen dieses Rundblickes ist die Veste Otzberg einen Besuch wert, wenn sie denn geöffnet ist…


PINNWAND: Die Burganlage Otzberg ist seit Frühjahr 2024 vorübergehend geschlossen. Das Land Hessen lässt für 13 Millionen Euro zahlreiche Renovierungsarbeiten an Gebäuden und der Zufahrtsstraße durchführen. Mit einer Wiedereröffnung der Veste, renovierter Gebäudeteile und dem Biergarten ist 2025 zu rechnen. Dann sind auf der Burg auch wieder die beliebten Trauungen möglich.