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Komiker Paul Kemp zwischen Grock und Chaplin

Ein leichtes Schmunzeln huscht über sein Gesicht, und in diesem Lächeln spiegelt sich das schauspielerische Leben von Paul Kemp, das gepaart war mit vielen melancholischen Momenten. Sein Gesichtsausdruck war wandelbar, obwohl er meist festgelegt war auf die Rolle des oft einfältigen Trottels. Damit unterhielt er das deutsche Kinopublikum über Jahrzehnte in freundlicher Manier, doch in seinen Auftritten auf Kleinkunstbühnen oder im Theater wurde sichtbarer, was in ihm steckte. Einige seiner Kollegen sahen ihn angesiedelt zwischen dem großen Filmkomiker Charlie Chaplin und dem Clown Grock. Viel Ehre wurde ihm da erwiesen, aber der früh verstorbene Kemp durfte sich zu Recht als einer der Großen auf der Bühne und im deutschen Film fühlen. Charakterkomiker  ist die wohl zutreffendste Einordnung dieses kleinen Mannes, der meist mit leisen Tönen agierte, gleichwohl (oder gerade deswegen) ein breites Publikum für sich einnahm. 

Als ich vor einiger Zeit für den Bericht über die „Jazzlegenden im Althoff-Bau“ in alten Zeitungen recherchierte, stieß ich auf den Namen dieses Schauspielers, der in der Vor- und Nachkriegszeit in vielen deutschen Filmen mitwirkte, ohne aber je zum ganz großen Star zu avancieren. In einer Annonce warb Franz Althoff für eine Weihnachtsaufführung des Stückes „Der keusche Lebemann“ mit Kemp in der Hauptrolle.

Bereits wenige Monate zuvor war ich dem Schauspieler begegnet, als im August 1951 im Frankfurter Turmpalast der Film „Mutter sein dagegen sehr“ uraufgeführt wurde. Dazu lud der schlaue Pressechef Schneider von der Verleihfirma Siegel-Monopol auch journalistisch noch eher unbeschriebene Mitarbeiter von Schülerzeitschriften zum offiziellen Pressegespräch mit den Darstellern ein, immerhin spielten Kinder und Heranwachsende eine zentrale Rolle in dem Film.

Kemp war im Umgang zuvorkommend, kümmerte sich freundlich um die jungen „Schreiberlinge“, unter denen sich auch der Autor dieses Beitrages befand. Für uns Jung-Reporter war das eine angenehme Erfahrung, gehörte doch der Schauspieler zu jenen, die man damals schon allgemein als prominent einstufte.

Retter 

Gleichwohl werden sich nur noch ältere Menschen an den pfiffigen Komiker erinnern und das Bild des kauzigen Mannes schärfer vor Augen haben. Kemp  rettete mit seinem Witz und Charme so manchen deutschen Film, obwohl er meist nur in Chargenrollen agieren durfte.

Im Theater war Kemp durchaus vielseitig, auf der Leinwand gab er indessen meist den typischen deutschen Kleinbürger, spießigen Angestellten oder untertänigen Diener; gelegentlich allerdings auch schon mal einen hinterlistigen, kleinen Gauner. Mit solchen Rollen wurde Paul Kemp zum perfekten Spiegelbild der „kleinen Leute“. In Frankfurt war er zuletzt vor Beginn des Krieges auf der Bühne aufgetreten: im legendären Schumann-Theater am Hauptbahnhof.

Kemp spielte außerdem oft den treuen Kumpel eines „höher gestellten Herren“, dem er gleichwohl selbstlos half, wenn dieser in Schwierigkeiten geriet. Gerade wegen seiner Hilfsbereitschaft stand Kemp am Schluß seiner Auftritte mit leeren Händen da, vor allem dann, wenn es um übliche Liebesgeschichten und Heiratssachen ging. Da war er immer der Dumme.

Kemp wirkte in 93 Filmen mit, ohne freilich den ganz großen Sprung zu schaffen. Er war und blieb der Charge und freundliche Stichwortgeber, obwohl er in den frühen Dreissiger Jahren in „Die Dreigroschenoper“, „M – eine Stadt sucht einen Mörder“, „Glückskinder“ „Berlin, Alexanderplatz“, „Cyankali“ oder „Jede Frau hat ein süßes Geheimnis“ mit stärkeren Auftritten auf sich aufmerksam gemacht hatte. In den Vierziger Jahren war er gut beschäftigt gewesen, unter anderem in Filmen wie „Frau Luna“, „Jenny und der Herr im Frack“, „Das Lied der Nachtigall“. Wegen des Krieges gab es freilich auch eine längere Schaffenspause.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges folgten viele seichte und belanglose Unterhaltungsstreifen wie „Kein Engel ist so rein“, „Mutter sein dagegen sehr“, „Die Diebin von Bagdad,“ „Salto Mortale“, „Die Dritte von Rechts“, „Gefährliche Gäste“, „Der Mann, der sich selber sucht“ und andere. In allen Rollen musste er weit unter seinen Möglichkeiten agieren. 1959 starb der Bad Godesberger Paul Kemp im Alter von nur 57 Jahren nach einem Blinddarmdurchbruch in Bonn. In seiner Grabrede sagte sein Kollege Albrecht Schoenhals:

„Es gab Kritiker, die ihn zwischen den großen Clown Grock und den herrlichen Komiker Charlie Chaplin stellten. Aber er hatte seinen eigenen Rang. Über seiner Komik war der Humor gelagert, der aus dem Herzen kam und im Herzen mündete: das reife und weise und gütige Lächeln eines ganzen Menschen, der im Grunde sehr ernst war.“

Auch andere hatten für den drolligen „Trottel“, der schon  in seiner Jugend mit Chaplin-Parodien Erfolge auf der Bühne gefeiert hatte, aber später wie festgenagelt auf seinen Klischeefiguren festhing, lobende Worte. Der große Regisseur Max Ophüls sagte über Kemp, er sei einer der besten Komiker gewesen, die ihm je unter die Finger gekommen seien.

Wächter aller Dinge

„Erinnerung ist der Wächter aller Dinge.“ – Diese Worte schrieb Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. bis 43 v. Chr.), berühmter römischer Philosoph und Redner der Antike. Seine Worte sind immer wieder zutreffend, wenn es darum geht, Geschichtsereignisse oder Lebenswerke im Gedächtnis zu behalten. Und sie treffen auch zu, wenn es nicht um die ganz großen politisch-historischen Persönlichkeiten geht, sondern um einfache Menschen. Einer wie Paul Kemp es war.