Als ich dieser Tage vor dem Eingang zur Saalburg stand, erinnerte ich mich an meinen ersten Besuch im Römerkastell vor vielen Jahrzehnten. Es war ein beschwerlicher Schulausflug im Herbst 1949. Unsere Klasse fuhr aus der Frankfurter Innenstadt mit der Linie 25 nach Bad Homburg, dort stiegen wir in die kurz zuvor in Betrieb gegangene Kraftpostlinie von Bad Homburg zur Saalburg. Im Geschichtsunterricht stand die Römerzeit auf dem Plan, es sollte keine Theorie bleiben, sondern praktischer Anschauungsunterricht, zudem verbunden mit der Besichtigung der Limes-Grenzbefestigungen. Ein „Wandertag“ mit historischem Hintergrund.
Es wurden trockene Stunden für 14-Jährige. Überladen mit Zahlen und Daten. Das Römische Reich blieb den meisten von uns fremd. Die gezeigten Originalfunde, Nachbildungen und ergänzende Texte hinterließen wenig Eindruck, was auch an der dürftigen Präsentation gelegen haben mag. Doch das hatte Gründe, von denen wir nichts wussten, schließlich waren wir Heranwachsende, die das wohl „nichts anging“. Jahre später und auf Nachfragen erfuhr ich, dass das Kastell im Taunus in Schwierigkeiten gesteckt hatte und vom Zweiten Weltkrieg in Mitleidenschaft gezogen worden war.
Eine Fabrik aus Oberursel hatte Werkzeugmaschinen und Motoren in den Gebäuden ausgelagert, was zu Schäden geführt hatte. Es gab Plünderungen der Museumsbestände, so dass viele Ausstellungsstücke nicht mehr vorhanden waren. Direktor Heinrich Jacobi war 1946 verstorben, in einer Übergangsphase war das Kastell vorübergehend von einem Herrn Kutsch aus dem fernen Wiesbaden betreut worden. Erst 1948 übernahm der Historiker Hans Schönberger die Leitung, was der Saalburg offensichtlich gut tat. Die Besucherzahlen stiegen rapide an.
Hollywoodschinken wecken Interesse
Filmische Monumentalschinken über die Römerzeit, so weit entfernt sie von der Realität gelegen haben mögen, eröffneten später den Zugang zur Bedeutung des Kastells. Ein seltsamer Umweg gewiss, aber einige Streifen der Fünfziger und Sechziger Jahre schärften bei mir dann doch den Blick für die Römerzeit. So absurd das im Nachhinein auch erscheinen mag, aber das Verständnis für das zuvor leblose Material der Saalburg wurde in den Frankfurter Kinos zum Leben erweckt.
Spartacus (1960, Regie Stanley Kubrick, Darsteller: Kirk Douglas, Tony Curtis, Charles Laughton), Quo Vadis von Regisseur Mervyn LeRoy mit Robert Taylor, Deborah Kerr, Peter Ustinov aus 1951, Cleopatra (1962, Regie: Joseph L. Mankiewicz, Hauptrollen Elizabeth Taylor, Richard Burton), Ben Hur (1959, Regie: William Wyler, Hauptdarsteller: Charles Heston) oder Der Untergang des Römischen Reiches (1964, Regie: Anthony Mann, mit Sophia Loren und Omar Sharif) sind nur einige Beispiele dafür.
Heute ist auf der Saalburg alles wohl geordnet. Das ehemalige Kastell mit Lagerdorf, das zusammen mit der Grenzbefestigung Limes die Grenzen zwischen dem mächtigen Römischen Reich und den germanischen Ansiedlungen markiert hatte, und um 1900 auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. in alter Form aufgebaut worden war, besteht aus Steingebäuden und Holzkonstruktionen.
Die ausgebauten Räume und ausgestellten Nachbildungen lassen die Wohn- und Arbeitswelt der römischen Krieger in der Festung und die der Einwohner im Dorf vor den Toren des Kastells plastischer erscheinen als das vor 70 Jahren möglich war.
Backöfen, Kücheneinrichtungen, Schlafgemächer und anderer Kleinkram des täglichen Lebens lassen vor den Augen der Besucher die Geschichte, Kultur und Lebensart der Römer auferstehen. Und die Möglichkeit, mit modernen Medienmittel die damalige Zeit zurück zu holen, macht die Saalburg zu einer echten Attraktion.
Auf dem Außengelände ist frei gelegtes Mauerwerk zu sehen, das ein architektonisches Bild der Kohorten-Anlage vermittelt. Auch die Reste eines Gästehauses, einige Steinkeller und ein Badehaus lassen die Ausdehnung des römischen Lagerdorfes erkennen. Restaurierte römische Häuser dienen heutzutage als Museumsshop, in denen Devotionalien gekauft werden können, sie sind aber auch als Kassenhäuschen ausgebaut. In der Nähe beginnt der so genannte „Rundweg Saalburg“, auf dem der Besucher einen gut erhaltenen und gepflegten Teil der Limes-Befestigungen besichtigen kann.
Die in der Welt einmalige Anlage, zu der auch die teilweise wieder aufgebauten Grenzbefestigungen (Limes) gehören, die sich von Grebenroth im Rheingau-Taunus-Kreis über Taunus und Wetterau bis nach Seligenstadt und Lorch in Südhessen hinziehen, zählt seit 2005 zum UNESCO-Welterbe. Und abgesehen von den kulturhistorischen Aspekten, kann das Kastell auch für „moderne“ private Feste und Familienfeiern genutzt werden.