Auf eigentümliche Weise bin ich vor kurzem wieder auf den Namen eines inzwischen vergessenen deutschen „Filmhelden“ gestossen, den ich selbst schon aus meinem Gedächtnis verbannt hatte. Bei der Internet-Suche nach einer bestimmten Bankfiliale in der Hauptstraße in Düsseldorf fand ich diese direkt am Harry-Piel-Platz im Stadtteil Benrath. Der kleine Platz ist benannt nach jenem deutschen Filmemacher, der 1892 in Benrath geboren worden ist, und sich sich in den 20er, 30er und 40er Jahren mit für damalige Verhältnisse spektakulären Streifen in Deutschland einen Ruhm als so genannter Sensationsdarsteller erworben hat.
Als ich den Namen entdeckte, wurden sogleich Erinnerungen wach an Streifen wie Ein Unsichtbarer geht durch die Stadt, 90 Minuten Aufenthalt, Artisten, Der unmögliche Herr Pitt sowie Menschen, Tiere, Sensationen. Es waren bestimmt aufregende Filme, obwohl sie aus heutiger Sicht wahrscheinlich eher wie Karikaturen ihrer selbst wirken. Piel war gewissermaßen ein Vorgänger von James Bond, doch die beiden in Zusammenhang zu bringen, kommt mir nur mit einer gehörigen Portion Ironie in den Sinn, aber andererseits: Alles hat seine Zeit.
Ohne Zweifel hat Harry Piel jedoch an der deutschen Kinogeschichte mitgeschrieben, auch wenn Historiker ihm diese Rolle nicht unbedingt zubilligen mögen, fehlt ihnen doch die künstlerische Handschrift des umtriebigen Mannes. Schließlich ging es Piel tatsächlich nicht um Kunst, sondern nur um reine Unterhaltung.
Vor und während des Zweiten Weltkrieges liefen immer wieder Filme von Harry Piel in den Kinos, doch war ich selbst noch zu jung, um mir diese Abenteuergeschichten regelmäßig anzusehen, außer einmal 90 Minuten Aufenthalt in den Wall-Lichtspielen in Frankfurt. Nach längerer Pause hatte ich im Frühjahr 1951 dann erstmals wieder eine Gelegenheit, Harry Piel in einem neuen Film zu sehen, denn in mehreren Frankfurter Kinos lief sein Zirkusfilm Der Tiger Akbar.
Piel hatte eine längere Schaffenspause einlegen müssen, weil die Alliierten wegen Piels Nähe zum Nazi-Regime von 1945 bis 1949 ein Berufsverbot gegen ihn verhängt hatten. Harry Piel wurde von der Spruchkammer als NSDAP-Mitglied zunächst zwar nur als Mitläufer eingestuft, erschien den Besatzungsbehörden aber als Förderer der SS dann doch zu stark belastet.
Vergangene Zeit
Wie aber wirkte der legendäre Harry Piel im Jahr 1951 auf mich als 16-Jähriger? Einerseits machte der Mann bei seiner Darstellung einen durchaus respektablen Eindruck, wirkte unkompliziert, gradlinig und präsent, auf der anderen Seite trug er bei allen Darbietungen etwas dick auf, außerdem waren die Ansätze einer gewissen Dicklichkeit sind nicht zu übersehen. „Geheimratsecken“ und eine etwas ausgeprägte Nase prägten Kopf und Gesicht. Ein Sensationsdarsteller? Irgendwie passte das alles nicht. War es nur der falsche Film oder war die Zeit einfach über die Harry-Piel-Themen hinweg gegangen?
Das war wohl so. Auch in einer Kritik fand ich meine Enttäuschung bestätigt. Außer einigen gelungenen Dressur-Aufnahmen sei es ein recht schwacher und glanzloser Zirkusfilm, schrieb die Tageszeitung Frankfurter Rundschau. Dem Urteil konnte ich nur zustimmen, hatte ich mir doch vom berühmten Harry Piel (er hatte nach kaufmännischer Lehre und einem kurzeitigen Gastspiel als Kunstflieger in Paris 1912 seinen ersten Film Schwarzes Blut abgeliefert) mehr erhofft. Doch das Zirkus-, Tier- und Sensationskino, das ihn einst so verwegen hatte daherkommen lassen, und das von ihm als Produzent, Regisseur und Darsteller so maßgeblich geprägt worden ist, war nach einem verheerenden Weltkrieg nicht mehr gefragt und wirkte reichlich angestaubt.
Der Tiger Akbar
Die Handlung von Der Tiger Akbar spielte in diesem Zusammenhang ohnehin nur eine untergeordnete Rolle. Es ging um eine Liebesgeschichte zwischen einem Dompteur und einer Dompteurin, die im Zirkus mit einer Tiergruppe arbeiteten. Doch ihr Lieblingstier wurde eifersüchtig, stürzte sich am Hochzeitstag auf die Dompteurin und verletzte sie tödlich. Alles schon mal da gewesen.
Zum Schluss doch noch ein Blick auf James Bond, obwohl die Filme über den britischen Geheimagenten doch ein ganz anderes Kaliber sind. Denn wenige Wochen nachdem der erste James-Bond-Film (James Bond – 007 jagt Dr. No) nach einer Vorlage von Ian Fleming in den bundesdeutschen Kinos anlief (25. Januar 1963), starb Harry Piel in München (27. März 1963) im Alter von 71 Jahren. Es war ein Wechsel der Generationen…