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Kosmos

Chinas Raumstation nennt sich „himmlischer Palast“

Chinas dritte T-förmige Raumstation Tiangong (deutsch: Himmlischer Palast) umkreist seit Ende April 2021 die Erde. Seit 1. November 2022 ist das „Bauwerk“ komplett, nachdem das Modul Mengtian (Himmelträume) an der Zentraleinheit mit dem bereits früher angekoppelten Labor Wentian (Himmelsbefragung) andockte. Tiangong ist auf eine Lebenszeit von mindestens zehn und höchstens 20 Jahre ausgelegt. Die im Wechsel dort tätigen Taikonauten und Taikonautinnen, wie Weltraumreisende in China genannt werden, haben in den nächsten Jahren reichlich zu tun. Sie bilden wechselnde Dienst-Teams, die sowohl innerhalb als auch ausserhalb der Station werkeln. Wissenschaftliche Arbeit steht im Vordergrund, doch sie verlegen auch Kabel, testen Geräte und koppeln Module und Frachter an- und ab. Und sie forschen danach, wie lange der optimale Aufenthalt von Menschen im Orbit sein könnte.

Lin Xiqiang, stellvertretender Direktor des Amts für bemannte Raumfahrt Chinas, wies darauf hin, dass sechs Monate im Orbit wohl der wünschenswerte Aufenthaltszyklus auf der Raumstation sein könnten, eine Erkenntnis, die sich auch mit Erfahrungen anderer Raumfahrt-Nationen deckt. Ob die Arbeitsfähigkeit in der Schwerelosigkeit bei den vielfältigen Tätigkeiten in den Stationen ab- oder zunimmt, ist von zentraler Bedeutung, weil im All enorme Kräfte verbraucht werden. Zum Beispiel kann bei sechsstündigen Außenbordeinsätzen von einem »Spaziergang«, wie das oft getan wird,  keine Rede sein. Es geht vielmehr um schweißtreibende Arbeit. Selbst manuelle Andockmanöver, wie sie mit dem Frachtraumschiff Tianzhou 2 durchgeführt wurden, erfordern höchste Konzentration und Leistungsfähigkeit.

Erfahrungen anderer Länder

Die chinesische Raumfahrt, in den vergangenen Jahren bei Mond- und Mars-Expeditonen unterschiedlicher Art höchst erfolgreich, kann beim Bau ihres himmlischen Palastes auf die Erfahrungen anderer Nationen zurückgreifen. Schließlich gibt es Vorläufer aus der Sowjetunion und Russland sowie die von vielen Nationen betriebene Internationalen Raumstation ISS. Seit über 50 Jahren umkreisten verschiedene Stationen die Erde. Zwischen 1971 und 1991 flogen Salut 1 bis 7, die us-amerikanische Skylab gab ein kurzes Gastspiel im All, zwischen 1986 und 2000 beherrschte die sowjetisch-russische MIR (Frieden) mit Erfolgsmeldungen und Pannen die Schlagzeilen. 

Als die ruhmreiche MIR 2000 im Südpazifik, fast 4000 Kilometer südlich von Neuseeland im „Friedhof der Raumfahrzeuge“ ihr Ende fand, hatte schon die Geburtsstunde der Internationalen Raumstation (ISS) geschlagen: ein Projekt, an dem die USA (NASA), Russland (Roskosmos), die Europäische Weltraumagentur ESA (Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz, Spanien, Großbritannien) sowie Kanada (CSA) und Japan (JAXA) beteiligt sind. Das Kernmodul Sarja aus Russland wurde am 20. November 1998 auf den Weg gebracht, seitdem wurde die ISS kontinuierlich Stück für Stück erweitert – und zahlreiche Raumfahrer und Raumfahrerinnen vieler Länder haben auf der ISS ihre wissenschaftliche Arbeit verrichtet – und auch hier meistens im Rahmen halbjähriger Aufenthalte. Russland brachte und bringt zahlungskräftige „Touristen“ auf die Station, und auch eine Schauspielerin sowie ein Regisseur gaben schon kurze Gastspiele.

Blick in die Zukunft

Die ISS soll noch bis Ende des Jahrzehnts betrieben werden, obwohl sich nach fast 25 Jahren im All in jüngster Vergangenheit technische Probleme häuften. Wie es mit ihr tatsächlich weitergeht, ist noch unklar, was im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg auch von den politischen Beziehungen zwischen Russland und den USA abhängt, sicher ist jedoch, dass Russland wieder eine eigene Raumstation (ROSS) errichten wird, und auch die USA mit Partnerstaaten die Station Gateway zwischen Erde und Mond platzieren werden. Indien liebäugelt ebenfalls mit einem eigenen Außenposten im All.

Während sich diese Länder und Raumfahrtagenturen mit zukünftigen Stationen teilweise noch im Planungsstadium befinden, ist China mit seiner dritten „richtigen“ Station (Tiangong 3) ein ernst zu nehmender Gigant geworden. Die beiden Vorläufer waren nur experimenteller Natur. China mischt mit: in vorderster Front beim Wettbewerb der Sternenflüge. (Mit Informationen von Xihua News Agency)