Der deutsche Dichter Matthias Claudius (1740-1815) pflegte gern zu sagen: „Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was erzählen“. Das galt zu seiner Zeit mit ihren überaus beschwerlichen Kutschenfahrten natürlich noch weit mehr als heute, da der Massentourismus das Reisen zur Alltäglichkeit gemacht hat. Gleichwohl habe ich etwas zu erzählen von einer Autofahrt zum Bodensee, einem kurzen Zwischenstopp in Triberg und Schonach sowie zwei Kuckucksuhren in Übergröße…
Der Schwarzwald hat viele reizvolle Flecken, an denen Kultur, Romantik und Urlaubsfreuden gleichermaßen zu ihrem Recht kommen. Seit in den frühen Fünfziger Jahren der Farbfilm Schwarzwaldmädel (nach der gleichnamigen Operette von Leon Jessel) mit Sonja Ziemann und Rudolf Prack in den deutschen Kinos lief, erinnern sich die Menschen gerne an das ausgedehnte Mittelgebirge im Südwesten der Republik. Triberg und Schonach stehen dabei oft im Fokus, denn außer den üblichen touristischen Ingredienzen wie dem Wasserfall in Triberg sowie dem alltäglichen Uhrenverkauf machen sich noch zwei XXL-Kuckucksuhren „Konkurrenz“ und die beiden Städtchen zum Anziehungspunkt für zahlreiche Besucher.
Uhrenstraße
Diese Uhren haben auch mich angelockt. Von der BAB 5 bin ich bei Offenburg abgebogen und fahre über Landstraßen weiter. Aus Hausach im Norden kommend, geht die Fahrt vorbei an Hornberg, wo einst das berühmte Hornberger Schießen stattgefunden haben soll.
Auf der Bundesstraße 33, die hier zugleich als „Deutsche Uhrenstraße“ firmiert, geht es nach Triberg, und noch ehe wir dieses urige Städtchen erreicht haben, erblicken wir im kleinen Ortsteil Schonachbach auf der linken Straßenseite und direkt vor einer Tunneleinfahrt ein dreigliedriges Häuserensemble, schnell erkennbar als Verkaufsräume einer Uhren-Manufaktur. In der Mitte erblicken wir die große Kuckucksuhr und staunen…
Die Uhr wirkt groß, aber auch nüchtern. Bei einer Führung durch das Innenleben der Uhr erfahren wir zudem, dass der Kuckuck fast fünf Meter lang ist und 150 Kilogramm wiegt, das Uhrwerk selbst 4,5 mal 4,5 Meter groß ist, und das Gewicht des Uhrwerks sechs Tonnen beträgt. Bei solchen Zahlen ist dann auch die Pendellänge von acht Metern keine Überraschung mehr.
Die Uhrmacher Ewald und Ralf Eble meisterten beim Aufbau alle technischen Schwierigkeiten mit Bravour, insbesondere die Aufgabe, das Schlagwerk mechanisch anzutreiben. Außerdem musste jedes noch so kleine Teil von Hand angefertigt werden. Bei der Herstellung der Unikate war höchste Präzision erforderlich, um alle Teile exakt miteinander zu verknüpfen. Unter solchen schwierigen Bedingungen war es kein Wunder, dass es fünf Jahre dauerte, bis die Uhr schließlich fertiggestellt war. Die Einweihung erfolgte 1994. Seitdem meldet sich der Kuckuck zum Vergnügen der Touristen, die im PKW oder in Bussen anreisen, jeweils zur vollen Stunde aus dem Fenster im ersten Stock.
Erste weltgrößte Uhr
Doch im benachbarten Schonach war schon vor der Eble-Uhr eine andere Kuckucksuhr von beträchtlichen Ausmaßen entstanden. Und ich muss konstatieren, dass der „Schönheitspreis« bei einem subjektiven Vergleich meinerseits klar an die „kleinere“ Uhr geht. Das Schwarzwald-Häuschen, in dem die Uhr tickt, strahlt einfach mehr Charme aus. Es war der Uhrmachermeister Josef Dold, der zwischen 1977 und 1980 in der Untertalstraße 28 diese begehbare Kuckucksuhr erbaute.
Das Uhrwerk aus Holz ist nach Angaben von Dold 3,30 mal 3,50 Meter groß, bei einer Tiefe von einem Meter. Das größte Holzrad im Uhrwerk hat einen Durchmesser von 1,85 m, der Kuckuck selbst misst 80 Zentimeter, die Pendellänge beträgt 2,70 Meter. Der Maßstab beträgt 50:1. Zu jeder vollen und halben gibt der Kuckuck ein lautstarkes Lebenszeichen von sich.
1984 wurde diese Uhr als „Weltgrößte“ in das Guinnessbuch der Rekorde eingetragen. Doch mit ihrer noch grösseren Uhr im Maßstab 1:60 übertrafen die Ebles das Erstlingswerk von Josef Dold. Der Schonacher darf allerdings weiterhin mit dem Slogan von der „1. weltgrößten Kuckucksuhr“ werben, worauf auch auf einem Schild explizit hingewiesen wird.