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Jean Gabin gibt Kommissar Maigret ein Gesicht

Jean Gabin war nicht der einzige, der in die Rolle von Maigret schlüpfte. Der französische Schauspieler (1904-1976) war nur einer der zahlreichen Interpreten dieser Figur, die in jüngster Vergangenheit vom Engländer Rowan Atkinson im Fernsehen neu belebt wurde. Gabin war aber gewiss einer der besten Darsteller des Maigret. Ein persönlicher Rückblick.

Szenen eines Romans, Szenen einer Filmes. Ich habe Jean Gabin vor Augen, jenen Schauspieler, der die Figur des französischen Kommissars auf unnachahmliche Weise verkörperte. In den drei französischen Kinofilmen Maigret stellt eine Falle (1958), Maigret kennt kein Erbarmen (1959) und Maigret sieht rot! (1963) gab er der Statur des Kommissars eine profilierte Gestalt. Als Simenon die Filme gesehen hatte, sparte er nicht mit Lob: 

Wie wahr! Wenn ich einen Maigret las, hatte ich Gabin vor Augen. Er war mein Lieblingsdarsteller. In Gabin sah ich die von Simenon entwickelte Romanfigur in all ihren Schattierungen. Der kräftige Mann mit markanter Nase löste in der Präfektur am Quai des Orféves nahe von Notre-Dame schwierigste Fälle. Er und seine engen Mitarbeiter hatten es mit „schweren Jungs“ zu tun, aber auch mit Tätern aus sozial schwachen Schichten oder aus bürgerlicher Wohlanständigkeit kommend. Pariser Armenviertel waren ebenso Schauplätze der Verbrechen wie noble Villenviertel.

Leinwand-Präsenz

Jean Gabin war mit seiner Leinwand-Präsenz unter den rund 40 verschiedenen Darstellern, die es im Laufe von Jahrzehnten in verschiedenen Ländern gab, eine Ausnahmeerscheinung. Bei ihm verschmolzen Roman- und Filmfigur. Für mich als Lesender und Schauender ist Gabin bis auf den heutigen Tag der eindrucksvollste Maigret in Film und Fernsehen geblieben, weil sich mit ihm die dichte Atmosphäre der Bücher auf Leinwände (und später: Bildschirme) übertrug.

Nur vier „Maigrets“ sah ich im Laufe vieler Jahre. Jean Gabin zuerst, dann Rupert Davies, den Simenon ebenfalls für eine Idealbesetzung hielt. Heinz Rühmann spielte den Kommissar in einem einzigen Film (Maigret und sein größter Fall, 1966), aber ihm, der schon lange ins Charakterfach gewechselt war, blitzte bei aller Nachdenklichkeit zu sehr der alte Komödiant aus den Augen. Zuletzt sah ich in einer britischen Fernsehserie Rowan Atkinson seine Arbeit verrichten: Nicht schlecht, gewiss, aber für meinen Geschmack zu glatt, zu elegant, nicht kantig genug. Und trotz aller Bemühungen zu sehr Mr. Bean, seine Paraderolle.

Eine lange Namensliste

Über die unzähligen anderen Maigret-Darsteller kann ich nicht urteilen. Viele interessante Schauspieler-Namen  durften sich an Maigret abarbeiten. Darunter der großartige Michel Simon (Frankreich), der berühmte Charles Laughton (England) und der in Italien als Peppone zu Ruhm gekommene Gino Cervi. Die Franzosen Pierre Renoir, Louis Arbessier, Harry Baur, Bruno Cremèr, Maurice Manson, die Briten Michael Gambon, Richard Harris, der Italiener Sergio Castellitto, die Niederländer Kees Brusse, Jan Teulings, Louis van Rooten, der Kanadier Henri Norbert (Kanada) sowie Darsteller aus der UdSSR, Russland sowie Tschechien gaben der Romanfigur Maigret in Serien und Einzelproduktionen ein völlig unterschiedliches Gesicht.


PINNWAND: Georges Simenon (1903-1989) war ein belgischer Schriftsteller, der als Verfasser von 75 Kriminalromanen um die Figur des Pariser Kommissars Maigret berühmt wurde. Außerdem schrieb Simenon über 100 weitere Romane und 150 Erzählungen unter eigenen Namen sowie rund 200 Groschenromane und mehr als 1000 Kurzgeschichten unter verschiedenen Pseudonymen.