Bei einer Reise ins ostwestfälischen Detmold ist es Pflicht, einige Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung zu erkunden, zum Beispiel das berühmte Hermannsdenkmal südöstlich der Stadt. Doch dieses Monument deutscher Geschichte lasse ich erstmal aus, beschäftige mich unterdessen mit etwas weit Interessanterem. Unweit der Doppelstadt Horn-Bad Meinberg, und östlich des von Heidekraut übersäten Truppenübungsplatzes Senne, ziehen mich die Externsteine in ihren Bann.
Mein Auto habe ich nicht auf dem kostenpflichtigen Stellplatz Externsteiner Straße 33 geparkt, sondern im Ortsteil Holzhausen. Von dort wandere ich als Spaziergänger gemächlich schlendernd unter Buchen und Eichen dahin, Moosgeruch strömt aus dem Walddickicht, Wacholdersträucher stehen am Wegesrand, Blaubeeren schmücken eine kleine Lichtung, beruhigendes Insektengesumme überall, eine liebliche Landschaft. Am Oberen Teich — durch Stauung des schmalen Baches Wiembecke entstanden — erreichte ich das Ensemble der Externsteine: Kostenfrei zu besichtigen; nur wer auf die Felsen kraxeln möchte, wird zur Kasse gebeten.
Staunend stehe ich vor den 13 zerklüfteten Sandstein-Brocken, die knapp 40 Meter in den Himmel ragen. Eine Informationstafel erzählt mir, dass die Felsen vor rund 70 Millionen Jahren aus flach lagernder Kreide entstanden und vom Meeresgrund (hier befand sich vor Jahrmillionen ein Meer) durch einen Nord-Drift der Afrikanischen Platte an die Oberfläche gepresst worden sind. Eine lange Zeit, in der Erdgeschichte gleichwohl nur ein Wimpernschlag.
Die Externsteine sind eine Natur-Attraktion im Lippischen Land, das seinen Namen dem bei Lippspringe entspringendem Flüsschen Lippe verdankt, das nach 220 Kilometern bei Wesel in den Rhein mündet. Wissenschaftler und Historiker betreiben immer noch ihre Forschungen, zumal viele bei der Beurteilung über die Bedeutung der Externsteine zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind, was mir nebensächlich erscheint angesichts der wuchtigen Realität der schroff aufragenden Monster, in denen es Stufen, Geländer, Übergänge, kleine Nischen und Plattformen gibt, deren erste 1810 angebracht und später verbessert und erneuert wurden.
Sagen und Legenden
Abgesehen von wissenschaftlichen Aspekten erfahre ich bei meinem Besuch von Märchen und Legenden. Ein Einheimischer erzählt mir, einer Sage nach seien die Felsen nur das Gebiss eines Riesen, was bei mir nach einem nachdenklichen Blick auf das Gestein den Verdacht aufkommen lässt, dieser Hüne sei Zeit seines Lebens nicht beim Zahndoktor gewesen. Auch der Teufel darf bei skurrilen Geschichten nicht fehlen. Einer Legende nach soll er versucht haben, eine Gruppe von Mönchen, die am Fuß der Externsteine eine Messe hielten, mit herab geworfenen Steinen zu erschlagen. Sein Versuch endete kläglich, weil er alle Mönche verfehlte. Der ob seines Scheiterns enttäuschte Beelzebub zog sich frustriert in die Hölle zurück und überließ die Felsen widerwillig den Paderborner Mönchen des Klosters Abdinghof. Wie das Leben in Sagen so spielt…
Gerade solche Erzählungen sowie ideologisch motivierte Einordnungen, konterkarieren seriösen Erkenntnisse über die Steine. Als ich nach der Rückkehr noch einmal im Internet einige Details meiner Reise überprüfe, lese ich auf der Website „Externsteine“ von den Schwierigkeiten der Forscher, sich zwischen wissenschaftlicher Ergebnissen und volkstümlich gewordenen Legenden zu bewegen:
„Als besonders verheerend für eine ernsthafte wissenschaftliche Erforschung und die touristische Erschließung des Monumentes erwies sich der seit den späten 1920er Jahren des 20. Jahrhunderts zu beobachtende Einfluss von Vertretern der so genannten ‚völkischen Weltanschauung‘ – eine nicht ungefährliche Mischung aus Antisemitismus, Nationalismus und Verherrlichung der germanischen Vorzeit sowie des deutschen Mittelalters.”
An Spekulationen über religiöse Mythen und politische Einvernahme möchte ich mich nicht beteiligen. Dazu gibt es genügend Literatur und ausreichend Hintergrund-Berichte. Für mich steht im Vordergrund das persönliche Kennenlernen eines einmaligen Naturdenkmals. Die Steine können nichts für menschlichen Missbrauch.
PINNWAND: Parkgebühr am Standort Externsteiner Straße für Autos 4.00 Euro, Motorräder: 3,50 Euro. — Das Gelände um die Externsteine ist frei und kostenfrei zugänglich, die Besteigung der Felsen ist während der offiziellen Öffnungszeiten gegen eine Gebühr möglich (Erwachsene 4.00, Kinder 2.00 Euro). – Januar & Februar: Sa. und So. 11.00 bis 16.00 Uhr; März: außer Mi. und Fr. täglich von 11.00 – 16.00 Uhr; April bis Oktober: täglich von 10.00 bis 18 Uhr. Preise für das Besteigung der Felsen: Erwachsene 4.00, Kinder: 2.00 Euro. (Stand: Sommer 2023; ohne Gewähr).