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Film

Schmuckstücke in der Masse filmischer Banalitäten

Lange Zeit genoss der deutsche Nachkriegsfilm bei Filmhistorikern zu Recht einen miserablen Ruf. Haufenweise erschienen auf den Leinwänden der Kinos Heimatschnulzen, dümmliche Lustspiel-Klamotten, mit Schlagern vollgepflasterte Revuefilme, oberflächliche Kriminalreißer oder melodramatische Rührschinken. Insofern war es keine große Überraschung, dass kritische Filmschaffende im Oberhausener Manifest von 1958 „Opas Kino“ für tot erklärten. Doch wahr ist auch, dass es neben der Massenproduktion seichter Unterhaltungsware zahlreiche Filme gab, denen das Prädikat „Wertvoll“ zugeschrieben werden muss. Unter Cineasten gibt es längst ein differenzierteres Bild des deutschen Kinoschaffens jener Zeit.

Meine Erinnerungen an rund 15 Jahre Nachkriegsfilm besagen, dass sich schon in den ersten Jahren nach 1945 ernsthaft mit der Nazi-Zeit beschäftigt wurde. Es gab zahlreiche Produzenten, Autoren und Regisseure, die sich des Themas annahmen. Die drei ersten Filme, die nach der Kapitulation gedreht wurden, sind ein Beispiel dafür. Die Mörder sind unter uns (Regie: Wolfgang Staudte, sowjetische Zone), Und über uns der Himmel (Josef von Baky, britische Zone) und Zwischen gestern und morgen (Harald Braun, amerikanische Zone) boten unterschiedliche Ansätze (und Ergebnisse).

Weitere Filme, die ich in verschiedenen Frankfurter Kinos sah, waren In jenen Tagen (Regie: Helmut Käutner), Der Ruf (Josef von Baky), Morituri (Eugen York), Ehe im Schatten (Kurt Maetzig), Film ohne Titel (Josef von Baky), Rotation (Wolfgang Staudte), Berliner Ballade (Robert A. Stemmle), Der Untertan (Wolfgang Staudte) sowie Der Verlorene (Peter Lorre). Die Liste ist unvollständig.

Rosen für den Staatsanwalt

Besonders beeindruckend erlebte ich das satirisch angehauchte Drama Rosen für den Staatsanwalt (Regie: Wolfgang Staudte, 1959), eine Beschreibung der politischen Situation im „entnazifizierten Deutschland“, in dem ehemalige Nazi-Juristen ihre Karrieren unbehelligt fortsetzten: – so wie Kriegsgerichtsrat Dr. Schramm (Martin Held), der in den letzten Kriegstagen einen jungen Mann namens Kleinschmidt (Walter Giller) wegen des Kaufs von zwei Dosen Schokolade auf dem Schwarzmarkt („Zersetzung der Wehrkraft“) zum Tode verurteilt hat und nun als Oberstaatsanwalt für die neue, demokratische Gesellschaft tätig ist, aber noch immer altem Gedankengut nachhängt.

Weil der einst Verurteilte der Exekution entfloh, kommt es in einer Kleinstadt zu einer Begegnung der beiden. Schramm versucht ohne Scham Kleinschmidt mit juristischen Winkelzügen aus der Stadt zu vertreiben. Nachdem Kleinschmidt erneut zwei Tafeln Schokolade entwendet hat, kommt es zu einem Prozess, in dem Schramm die Anklage vertritt. In einer panischen Reaktion verliert er während des Plädoyers die Kontrolle über sich und fordert die Todesstrafe für den Angeklagten…

Der „Filmdienst, Portal für Kino und Filmkultur“ beurteilt Wolfgang Staudtes Werk:

Werfe ich einen abschließenden Blick auf die Fünfziger Jahre sehe ich vor meinen Augen auch die Satire Wir Wunderkinder, den Fernfahrer-Streifen Nachts auf den Straßen, das Fliegerdrama Des Teufels General das Jugendepos Die Halbstarken, das Melodram Die Sünderin, die Tragikomödie Der Hauptmann von Köpenick oder das Drama Die Ratten. Interessante künstlerische Werke mit ganz unterschiedlichem Niveau, aber doch bemüht um Ehrlichkeit. Trotz mancher Einschränkungen war der deutsche Nachkriegsfilm aus meiner Sicht doch besser als sein durch  konsumorientierte Massenware entstandener Ruf.


PINNWAND: Zu den Filmen „Die Mörder sind unter uns“, „In jenen Tagen“, „Die Sünderin“ und „Der Untertan“ gibt es auf dieser Webseite eigene Beiträge.