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Kosmos

Sowjetischer Sputnik eröffnet 1957 die Weltraumfahrt

Sputnik, ein kleiner sowjetischer Satellit, erblickte im Oktober 1957 das Licht der Welt. Die in Baikonur aufgelassene Kugel bildete, obwohl in Deutschland während des Zweiten Weltkrieges bereits die ersten Raketen (V 1, V 2) gestartet worden waren, den Anfang für die internationale Raumfahrt. Doch wenn heute Astro- oder Kosmonauten gleich welcher Nationalität zur ISS (Internationale Raumstation) aufbrechen oder von dort zur Erde zurückkehren, nimmt außer einigen Experten und Enthusiasten, kaum noch jemand Notiz von den Ereignissen.

Raumfahrt ist zur Routine geworden, ständige Starts vom Kosmodrom Baikonur zum „Außenposten der Menschheit“ sind, ebenso wie die folgenden Landungen nicht mehr erwähnenswert. Nur kleine oder größere Pannen, wie mißlungene Starts, finden noch Eingang in die Medien. Doch das Zeitalter der Raumfahrt ist noch gar nicht so alt. Die ersten Raketenstarts waren vor gerade einmal 60 Jahren eine Sensation.

So nahm auch eines der bedeutendesten Ereignisse des 20. Jahrhunderts in der unwirtlichen Steppe Kasachstans seinen Anfang. Am 4. Oktober 1957 um 22:28:34 Uhr Moskauer Zeit, am Startplatz in Baikonur war bereits der 5. Oktober angebrochen (Ortszeit 00:28:34 Uhr), startete mit Donnergetöse und 20 Millionen PS Schubkraft eine zweistufige Interkontinentalrakete vom Typ R 7 in den nächtlichen Himmel, um erstmals in der Geschichte der Menschheit einen silbergrauen Satelliten von 83,6 Kilogramm Gewicht in eine Erdumlaufbahn zu befördern. Geschwindigkeit: 28.000 km/h, Zeit für eine Erdumkreisung etwas über 95 Minuten. 92 Tage verrichtete der erste Erdbegleiter seine Arbeit, ehe er am 4. Januar 1958 verglühte.

Der schlichte Name der kleinen Kugel war Satellit oder auch Trabant, und die griffige russische Übersetzung Sputnik ist bis heute das Schlüsselwort für den Beginn der Raumfahrt. Die Trägerrakete R 7 wurde intern auch Semjorka (Sieben) genannt und die Weiterentwicklung dieser Rakete zur Sojus transportiert noch heute Menschen und Material zur ISS.

Schock

Der Flug des ersten künstlichen Erdsatelliten war eine internationale Sensation und löste in der westlichen Welt, insbesondere in den USA, den so genannten „Sputnik-Schock“ aus, weil damit klar wurde, dass die in den Vereinigten Staaten als zurückgeblieben geltende UdSSR nicht nur über die technische Fertigkeit verfügte, Raketen zu starten, sondern sie auch punktgenau zu steuern. Und das sowohl im erdnahen Weltraum als auch zu ausgewählten Zielen auf der Erde. Die militärpolitischen Aspekte und Konsequenzen dieses Spektakels waren damit vorgezeichnet.

Der in der internationalen Öffentlichkeit zelebrierte „Sputnik-Schock“ wurde danach in den Vereinigten Staaten gezielt eingesetzt, um die notwendigen finanziellen Mittel für die eigene militärische und zivile Raumfahrt zu erhalten. Die Gründung der NASA war eine Konsequenz aus dem Ereignis.

Gleichwohl war die US-Regierung bei weiten nicht so überrascht, wie öffentlich verkündet. Die westlichen Geheimdienste waren längst über die bevorstehende Starts informiert, sogar der Normalbürger konnte die Absichten der Sowjetunion erkennen, wenn er nur dazu bereit war, Mitteilungen der amtlichen Nachrichtenagentur TASS nicht nur als reine Propaganda abzutun.

So hatte die sowjetische Parteizeitung Prawda bereits am 1. Juli 1957 den bevorstehenden Sputnik-Start angekündigt und als weiteres Ziel sogar den Raumflug eines Menschen genannt. Der Sowjetführung war daran gelegen, die Welt auf ihre einsatzbereite Interkontinentalrakete aufmerksam zu machen. Schließlich herrschte damals Kalter Krieg.

Fehlstarts und Erfolge

Das Jahr 1957 war in der UdSSR mit vielen technischen Tests ausgefüllt. Am 15. Mai scheiterte jedoch der Start einer militärischen Raketenversion, doch am 27. August meldete die Nachrichtenagentur TASS triumphierend:

„Gemäß der wissenschaftlichen Forschung wurde in der Sowjetunion eine interkontinentale ballistische Rakete erfolgreich erprobt. Der Flug der Rakete erfolgte in sehr großer, bisher noch nicht erzielter Höhe. Nachdem die Rakete in kurzer Zeit eine riesige Entfernung zurückgelegt hatte, erreichte sie den vorgesehenen Raum.“

Nach der erfolgreichen Erprobung der R 7 stand auch dem Start des Sputnik nichts mehr im Wege. Der legendäre Chefkonstrukteur Sergej Pawlowitsch Koroljow hatte den Militärs, die die Hoheit über die gesamte Raketentechnik besaßen, einige Träger für den Einsatz wissenschaftlicher Projekte abgerungen. Er plante mit seinem Kollegen Tichonrawow, dem eigentlichen Schöpfer des Sputniks, einen Satelliten von über 1300 Kilogramm Gewicht, doch es war bald klar, dass dieser schwere Brocken nicht rechtzeitig fertig werden würde, um den konkurrierenden Amerikanern mit einem Erststart ein Schnippchen zu schlagen. So ließ Koroljow in weiser Voraussicht auch eine leichte und einfache Kugel anfertigen.

Im Oktober war das Paket bereit. TASS meldete den erfolgreichen Start des Sputniks und schrieb:

„Der Satellit hat die Form einer Kugel mit einem Durchmesser von 58 Zentimetern und einem Gewicht von 83,6 Kilogramm. Er ist mit zwei Radiosendern ausgerüstet, die ununterbrochen mit einer Frequenz von 20, 005 und 40,002 Megahertz senden. Die Signale dauern 0,3 Sekunden, darauf folgt eine ebenso lange Pause. Laut Berechnungen, die durch unmittelbare Beobachtungen präzisiert werden, wird sich der Satellit in Höhen bis zu 900 Kilometer über der Erdoberfläche bewegen. Eine vollständige Umkreisung wird eine Stunde und 35 Minuten dauern.“

In aller Welt wurde von Amateurfunkern und Sternwarten das Piep-piep des Sputniks empfangen. Dort, wo er seine Bahn zog, konnte er bei wolkenlosem Himmel in den Abend- oder Morgenstunden mit Ferngläsern, manchmal sogar mit bloßen Auge, zwischen den Sternen gesichtet werden. 

Optische Täuschung

Doch der faszinierende Blick auf das leicht schaukelnde Funkeln war eine optische Täuschung. Koroljows Stellvertreter Boris E. Tschertok klärte das in den Neunziger Jahren auf, als er im zweiten Band seiner vier Bücher mit dem Titel Raketen und Menschen (Elbe-Dnjepr-Verlag, Klitzschen) feststellte:

„Die reflektierende Oberfläche des Sputniks war viel zu klein, um ihn visuell sehen zu können. Tatsächlich wurde die zweite Raketenstufe beobachtet. Es war der zentrale Block, der auf derselben Umlaufbahn wie der Sputnik flog.“

Dies war jedoch ohne Bedeutung für all jene, die das schnell dahingleitende Sternchen am Himmel erblickt hatten. So oder so läutete der Sputnik-Start die Geschichte der Raumfahrt ein. Kapitel reihte sich an Kapital. Es flogen bald Sputnik 2 mit Laika an Bord, dann Sputnik 3 mit über 1300 kg Gewicht und vielen wissenschaftlichen Geräten, es folgten sowjetische und amerikanische Flüge zu Mond, Venus und Mars.

Der Raumflug Juri Gagarins, der Ausstieg Alexej Leonow ins freie All, die Mondlandung der Amerikaner mit Neil Armstrong, die Space Shuttles, das Hubble-Teleskop, der Bau von Raumstationen bis hin zur ISS waren weitere Meilensteine, allerdings nicht ohne Todesopfer.

Sechs Jahrzehnte nach dem Sputnik-Paukenschlag ist der Alltag der Raumfahrt in vollem Gange, den Grundstein für all diese technischen Wunderwerke hatte die silberne, runde Kugel namens Sputnik gelegt.