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Hollywoodkino

Das außerirdische „Dingsda“ mit den Krallenhänden

Als ich als junger Mann mit Freunden im „Metro im Schwan“ 1951 in Frankfurt Das Ding aus einer anderen Welt (Originaltitel: The Thing) sah, war mir nicht bewusst, dass dieser als Schocker beworbene Film gerade dabei war, eine neue Gattung von neuer Zelluloid-Unterhaltung zu schaffen. Wie so oft im Leben kam diese Erkenntnis erst im Rückblick und im Zusammenhang mit dem Konsum anderer Alien-Streifen. Das Thema „Außerirdische“ war jedoch Ende der Vierziger, Anfang der Fünfziger Jahre durch äussere Umstände aktueller geworden.

Am 24. Juni 1947 hatte der amerikanische Pilot Arnold mehrere unbekannte Flugobjekte gesichtet. Wenige Tage nach seiner Beobachtung stürzten in der Nähe von Roswell in New Mexiko Metallteile vom Himmel. Obwohl der zuständige US-General Ramey erklärte, bei den Trümmern handele es sich um Überreste eines Wetterballons, blieben (selbst bei Regierungsbehörden und dem US-Verteidigungsministerium) Zweifel, zumal der Vorfall gut in die Zeit des aufkommenden Kalten Krieges zwischen West und Ost passte. Bewohner aus Roswell glaubten, Außerirdische seien gelandet. 

Die UFO-Legende war geboren. Die Filmbranche sah ihren Weizen blühen und Hollywood setzte prominente Namen ein, um The Thing in Angriff zu nehmen. Als Produzent wurde der renommierte Regisseur Howard Hawks verpflichtet – er führte allerdings nicht die Regie –, als Drehbuchschreiber agierten die bekannten Autoren Ben Hecht und Charles Lederer, die Musik komponierte Dimitri Tiomkin. Die Kamera führte Russell Harlan, der auch Klassiker wie Red River, Der weite Himmel, Saat der Gewalt, Land der Pharaonen, Vincent van Gogh, Zeugin der Anklage, Hatari und Rio Bravo ablichtete. Nur die Darsteller waren unbekannt. Das sparte der Produktionsfirma Kosten.

Nahe einer Forschungsstation am Nordpol stürzt ein Raumschiff ab. In einem Eisblock wird eine große menschenähnliche Gestalt entdeckt und in die nahe gelegene Station gebracht. Als dort das Eis zu schmelzen beginnt, befreit sich „das Ding“ und beginnt Jagd auf die Menschen zu machen. Bei dem Lebewesen handelt es sich offensichtlich um eine Pflanze, die sich von Blut ernähren muss. 

„Was macht man mit Gemüse?“ fragt einer der Wissenschaftler und ein anderer antwortet: „Man kocht es“. Gesagt, getan! „Das Ding“ wird mit Elektroschocks „gekocht“ und zur Strecke gebracht. Unterschwellige Botschaft: Jedwede Eindringlinge sind zu besiegen, egal ob aus dem Weltall oder von der Erde kommend.  Das „Lexikon des internationalen Films“ sieht einen Film, der sich die Furcht vor fliegenden Untertassen zunutze macht und auch als politische Parabel (Furcht vor kommunistischer Unterwanderung) zu deuten ist.

Dieter Fritko, Kritiker der Zeitung „Frankfurter Rundschau“, mag sich mit dem Dargebotenen nicht anfreunden. Er schreibt spöttisch von einem „Dingsda“, das mit Krallenhand und Roboterhaupt Unfug stiftet:

Damals konnte ich dieser Einschätzung wenig abgewinnen, heute schon. Tatsächlich fehlt Produzenten, Autoren und Regisseuren oft die Fantasie. In vielen Alien-Filmen wird nur die Angst geschürt, technologisch überlegende Außerirdische hätten die Absicht, die Erde zu erobern und die Menschheit zu vernichten, warum auch immer. Diese Grundidee nahm ihren Anfang bei Das Ding aus einer anderen Welt und wird beibehalten. 

Eine rühmliche Ausnahme unter den Alien-Klassikern ist E.T. – Der Außerirdische, in dem ein friedlich-freundliches Lebewesen gezeigt wird. Gerade wegen der völlig anderen Machart von E.T. war das Remake von Das Ding aus einer anderen Welt von Regisseur John Carpenter (1982) wenig erfolgreich, da es in althergebrachten Mustern verharrte. Da blieb sich ein Genre treu.


PINNWAND: Produktion: Winchester Pictures Corp. – Verleih RKO Radio Pictures. – Produzent: Howard Hawks. – Regie: Christian Nyby. – Drehbuch: Charles Lederer (Mitwirkung: Ben Hecht, Howard Hawks). – Kamera: Russell Harlan. – Musik: Dimitri Tiomkin – Darsteller des „Dings”: James Arness. – Erstaufführung USA: 6. April 1951, Deutschland: 26. Oktober 1951.- Der Film steht auf Platz 87 der besten amerikanischen Thriller des Amerikanisches Filminstituts (AFI).