Was haben das Atomkraftwerk Biblis, das Waldstadion, die Festhalle und der Messeturm in Frankfurt gemeinsam? Alle Bauwerke liegen an oder sehr nahe an der Bundesstraße 44, die vom pfälzischen Ludwigshafen über das badische Mannheim und das hessische Ried nach Frankfurt am Main führt und das Rhein-Mein-Gebiet mit dem Rhein-Neckar-Raum verbindet. In diesen Tagen habe ich die B 44 von Mannheim aus in Richtung Norden befahren. Sie ist nicht vergleichbar mit der legendären Route 66 in Nordamerika, aber auch an ihr lassen sich einige interessante Beobachtungen machen.
Ludwigshafen und Mannheim bieten ausser Chemiegiganten und diversen anderen Industrie-Unternehmen nichts Besonderes, nordwärts fahre ich am Atomkraftwerk Biblis vorbei, das gerade zurückgebaut wird — zwei Kühltürme wurden im Februar 2023 durch ferngesteuerte Bagger zum Einsturz gebracht — , passiere wenig später den Altrhein mit dem Naturschutzgebiet Kühkopf. Das Hessische Ried, das ich dabei durchfahre, ist Spargelland, und bei Goddelau wird sogar seit einiger Zeit qualitativ hochwertes Öl gefördert.
Weil die B 44 die meisten Städtchen links oder rechts neben sich lässt, komme ich schnell voran und erreiche Groß-Gerau, wo die Bundesstraße im Stadtkern unterbrochen ist. Die Kommune hat dem Landkreis den Namen gegeben, besitzt einen sehenswerten Altstadtkern, verfügt über Industrie und Handel, ist aber nur eine Stadt wie viele andere. Immerhin bietet ein kleiner, von einem Verein betriebener Park namens Fasanerie vielen Erholungsuchenden Einblicke in die vielfältige Tierwelt.
Das letzte Viertel der Bundesstraße 44 ruft starke Erinnerungen wach. Hundertfach habe ich diesen Abschnitt benutzt; von Mörfelden-Walldorf aus vorbei am Langener Waldsee, wo der Frankfurt-„Ironman“ mit der Schwimmdisziplin seinen Anfang nimmt, vorbei an der Siedlung Zeppelinheim, die einst für die Ingenieure und leitenden Mitarbeiter der fliegenden „Zigarren“ erbaut wurde, vorbei an jener Stelle, an der ein niederländisches Flugzeug 1952 in den Wald stürzte (45 Todesopfer), kurz danach vorbei an jenem Punkt, an dem Pfingsten 1983 ein kanadischer Düsenjäger auf der Mörfelder Landstraße einschlug und die sechsköpfige Familie Jürges in den Tod riss.
Genau an jener Stelle hat der renommierte Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt inzwischen Quartier bezogen. Einer der Haupteingänge führt hier zum Waldstadion, das in der Neuzeit mit den Namen großer Banken vermarktet wird, und seit seinem Bestehen 1925 großartigen Sport aller Arten gesehen hat. Auf der nicht mehr existierenden Radrennbahn wurden 1966 die Weltmeisterschaften ausgefahren.
Ein paar hundert Meter weiter steht das Oberforsthaus gegenüber einem Waldstück, in dem jedes Jahr an Pfingsten der traditionsreiche Frankfurter „Wäldchestag“ veranstaltet wird. Dieser „Wädchestag“ war lange das Volksfest schlechthin und die Frankfurter Bürger hatten früher am Pfingstdienstag sogar arbeitsfrei. Eine Kurve weiter kamen Turffreunde und Zocker über Jahrzehnte zu spannenden Pferderennen, ehe das Gelände von der Stadt verscherbelt wurde und nun den Deutschen Fußball-Bund mit seinem so genannten „Campus“ beherbergt.
Weiter links, aber durch Bäume und eine Tankstelle verdeckt, die Universitätskliniken. An einer großen Kreuzung biegt die B 44 nach links ab, überquert den Main auf der Friedensbrücke und führt gleich darauf im leichten Bogen an der Vorderseite des Frankfurter Hauptbahnhofs vorbei. Wenig später und ebenfalls auf der linken Seite liegt das Messegelände mit dem Messeturm und der traditionsreichen Festhalle, in der seit fast hundert Jahren Festivitäten aller Art über die Bühne gehen (Tennisturniere, Reitturniere, Eisshows, Konzerte, Modeschauen, Box-Events,, Aktionärsversammlungen, Ausstellungen). Auch der Frankfurt-Marathon hat sein Ziel in der Festhalle, und die siegreichen Athleten dürfen auf einem roten Teppich ihr Tagewerk beenden.
Vom Messegelände sind es nur noch wenige Kilometer, bis die B 44 nach der Passage des Brentano-Bades in der Ludwig-Landmann-Strasse im Stadtteil Praunheim-Westhausen endet: oder beginnt, wenn der umgekehrte Weg genommen wird: Die B44 ist eine profane Bundesstraße, aber mit einigen interessanten Punkten am Rande der Piste…
PINNWAND:: Bundesstraßen sind Eigentum des Bundes, werden von ihm finanziell unterhalten, dienen in erster Linie dem überregionalen Verkehr und sind seit 2018 für LKWs ab 7,5 Tonnen mautpflichtig. Die Streckenlänge aller in Betrieb befindlichen rund 400 Bundesstraßen (manche Nummern zwischen 1 und 611 sind nicht vergeben) betrug laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 zirka 37.800 Kilometer.