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Zeitgeschichte

Rudi Schuricke schnulzt das Lied der Capri-Fischer

Herr Rudi Schuricke, legendärer Schnulzensänger, machte einen Schlager von ehrsamen Fischersleuten Ende der Vierziger Jahre nicht nur berühmt, sondern zum erfolgreichen Dauerbrenner bei den Radiosendern. Der Ohrwurm traf das Lebensgefühl der Deutschen nach dem Krieg. Als ich dieser Tage auf einen Youtube-Beitrag dieses Uralt-Schlagers stieß, weckte das nicht nur Erinnerungen an das Lied, sondern an die Nachkriegsjahre in Westdeutschland.  

Die Zeit war geprägt von der Währungsreform im Jahr 1948, Wiederaufbau und wirtschaftlichen Erfolgen. Die Reiselust stieg zu dieser Zeit. Wohin des Weges? – so fragten sich viele. Dorthin, wo die Sonne im Meer versinkt…? Italien schien alle Träume zu erfüllen, und wurde neben Österreich das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen. 

Als die Käfer die Landstraßen zu erobern begannen, fuhren mehr VW-Besitzer über die Alpenpässe nach Italien als je zuvor, bevorzugt an Gardasee und Adria-Strände. Diese Lust auf auf den Süden wurde durch jenen Schlager mitbestimmt, der unentwegt aus den Radios lärmte oder als Schallplatte verkauft wurde: Es war das Lied von den Capri-Fischern…, eben jenen, die zur Arbeit schipperten, während die Sonne im Meer versank. Die Schnulze schlechthin…  

Der Schlager war 1943 entstanden. Die Melodie war von Gerhard Winkler komponiert worden, der Text stammte von Ralph Maria Siegel. Als erste hatte die Sängerin Magda Hain das Lied 1943 auf einer Odeon-Platte gesungen, es wurde aber bald darauf im Reichsrundfunk nicht mehr gespielt, nachdem die Westalliierten Neapel und Capri besetzt, sich Italien von Hitler-Deutschland gelöst und am 13. Oktober 1943 dem ehemaligen Verbündeten Deutschland den Krieg erklärt hatte.

Wegen dieser „Zurückhaltung“ der deutschen Radiostationen gingen auch die Verkaufszahlen der Schallplatte zurück und das Lied geriet zunächst in Vergessenheit, zumal die Menschen in den bitteren Kriegs- und ersten Nachkriegsjahren andere Sorgen hatten. 

Großer Hit

In der sowjetisch besetzten Zone kam im Jahr 1947 eine Schelleck-Platte der Firma Amiga heraus, auf der Kurt Reimann das Lied vortrug. Doch der wirkliche Durchbruch erfolgte ab 1949 in den Westzonen und der Bundesrepublik durch Rudi Schuricke (Polydor), der zum auffälligsten Interpret des Schlagers wurde. 

Wenn bei Capri die Sonne im Meer versinkt… (Foto: Fabio Seda/stock.adobe.com)

Das Lied beschreibt das „romantische“ Leben der ehrsamen Fischer auf der im Golf von Neapel liegenden Insel Capri, die Nacht für Nacht hinausfahren müssen, um mit harter Arbeit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Gleichwohl haben sie nach Ralph Maria Siegel ausreichend Zeit, um im gemeinsamen Gesang eine unbekannte „Bella, bella, bella Marie“ anzuhimmeln. Alle wollen eine, oder was?

Bella Italia

Ob dass Lied damals tatsächlich Auswirkungen auf den Reiseboom nach Italien hatte, ist eine hypothetische Frage, die Melodie und der Text trafen aber Anfang der Fünfziger Jahre die Stimmung urlaubswilliger Deutscher, denen ja schon seit jeher und seit Goethes Zeiten („Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn“) eine Italien-Affinität nachgesagt wird. 

Die Eingangszeilen dürften älteren Menschen geläufig sein, kennen sie doch die Worte gewiss aus ihrer Jugendzeit, aber auch jüngere blieben nicht verschont, denn nach Schuricke gab es noch unzählige Interpreten, die Melodie und Text vortrugen, darunter Vico Torriani, Peter Kraus, Max Raabe, G. G. Anderson und die Flippers.

„Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt,
Und vom Himmel die bleiche Sichel des Mondes blinkt,
Zieh'n die Fischer mit ihren Booten aufs Meer hinaus,
Und sie legen in weitem Bogen die Netze aus..."

Und so weiter und so fort, den vollständigen Texten erspare ich mir, wer ihn mag oder noch einmal nachlesen will, wird ihn im Internet finden.