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Zeitgeschichte

Rote Fahnen flatternd
im Wind von Mörfelden

Das rote Denkmal (Schöpfer: Gerhard Schweizer) vor dem Bürgerhaus der Stadt Mörfelden-Wallldorf erinnert an die Erbauung des Volkshauses vor 100 Jahren.

Als ich dieser Tage anlässlich einer Veranstaltung wieder einmal das Bürgerhaus in der Doppelstadt Mörfelden-Walldorf besuchte, fiel mir wie so oft neben dem Eingang die modern gestaltete Stahlskulptur auf, die an im Wind flatternde, rote Fahnen erinnert. Ein Grund, an die Entstehung dieser Stahlskulptur zu erinnern. 

Der Darmstädter Künstler und Professor Gerhard Schweizer schuf das Ehrenmal 2007 im Auftrag der Kommune zur Erinnerung an die Erbauer  von einst, die Ende der Zwanziger Jahre in mehrjähriger, freiwilliger Arbeit das Volkshaus erbaut hatten. Fünf Jahre zuvor hatte die örtliche Fraktion der DKP/Offene Liste in der Stadtverordneten-Versammlung den Antrag gestellt, ein solches Denkmal zu errichten. Schweizers Entwurf wurde aus 33 Bewerbungen ausgewählt. Es trägt als Inschrift die Worte „Also seid ihr verschwunden, aber nicht vergessen.” Es ist ein Zitat von Bert Brecht aus seinem Gedicht „An die Kämpfer in den Konzentrationslagern” und hat einen direkten Bezug zu den Bauleuten.

Denn während der Nazizeit wurden viele der Werktätigen, die dieses Gebäude im Schweiße ihres Angesichts errichtet hatten, verhaftet oder verschleppt, weil ihre Herzen links schlugen. Das Volkshaus wurde zu einer Lagerhalle und einer Fabrik „umfunktioniert”, in der unter anderem Fesselballons hergestellt wurden. Die Erbauer hatten ganz anderes im Sinn, denn hier war die Heimstätte für Gewerkschafter, Sportler, Freidenker und Genossenschafter sowie anderer der Arbeiterbewegung nahestehende Gruppierungen.

Die Brecht-Inschrift auf dem Denkmal. (Foto: Erich Stör)

Maurer und andere Handwerker aus dem Dorf, darunter auch Bauern, hatten 1924 mit den Planungen begonnen, ab 1928 wurde dann in der karg bemessenen Freizeit sowohl mit finanziellem Engagement als auch großem Idealismus dieses Volkshaus hochgezogen. Wie einer Gedenk-Broschüre der örtlichen DKP zu entnehmen ist, kostete es schließlich auf den Pfennig genau 131.677.20 Reichsmark und wurde am 19. April 1930 eröffnet. 

Im Jahr 1964 übergab dann der „Volkshaus-Verein”, der seit 1948 bis dahin die Begegnungsstätte in Eigenregie betrieben hatte, das Gebäude in die Obhut der Stadt, die es seitdem als „Bürgerhaus” fortführt und mehrmals renoviert, umgebaut und den modernen Anforderungen angepasst hat. Heute umfasst das Bürgerhaus einen großen Saal, kleinere Räumlichkeiten, ein Restaurant und Kegelbahnen. Es kann für Ausstellungen, Familienfeiern, kleine Messen, Karnevalsveranstaltungen, Tagungen, Konzerte, Theateraufführungen und ähnlichem genutzt werden.