Wenn Kosmonauten oder Astronauten die Internationale Raumstation (ISS) besuchen, ist das für die Öffentlichkeit ein unbeachteter Routine-Vorgang, für die Verantwortlichen jedoch ein außergewöhnliches Ereignis. Weil mit Fehlfunktionen jederzeit gerechnet werden muss, ist die Anspannung vor und während eines Starts für die Beteiligten greifbar und nicht nur allein der Tatsache geschuldet, dass sich niemand bei den Kosten im Raumfahrtgeschäft Fehler erlauben darf. Raumfahrt bleibt ein Abenteuer voller Unwägbarkeiten. Ob die Triebwerke einer Rakete in Baikonur (Kasachstan), Korou (Französisch Guyana), Jiuquan (China), Wostotschny, Plessezk (beide Russland) oder dem Kennedy Space Center (USA) zünden – Starts in den Weltraum bleiben Abbild höchster Ingenieurskunst.
Um Menschen oder Nutzlasten ins All zu befördern ist absolute Präzision erforderlich. Was in mühevoller Arbeit in den Produktionsstätten in Einzelsegmenten hergestellt und in den Montagehallen der Startorte mit der Raketa zusammengeschraubt wird, muss innerhalb von knapp zehn Minuten umgekehrt, aber zuverlässig in seine Bestandteile zerlegt werden. Wenn das gelingt, haben die Techniker (und die Rakete) einen „guten Job” gemacht.

Am Beispiel einer russischen Sojus – mit einer solchen flos der deutsche Astronaut Alexander Gerst zweimal zur Internationalen Raumstation (ISS) –, lässt sich ein solcher Prozess gut veranschaulichen, weil dieser Träger die erfolgreichste Rakete der Welt ist. Die aus drei Stufen bestehende Sojus durchläuft nach Angaben der Europäischen Raumfahrtbehörde (ESA) – bezogen auf einen bemannten Start von Baikonur aus – folgendes „Vernichtungsschema”:
Startablauf in fünf Schritten
Erstens: Nach dem mit einer Leistung von 20 Millionen PS erfolgtem Start wird das an der Spitze der Rakete installierte Rettungssystem für die Raumfahrer nach 114 Sekunden in einer Höhe von etwa 40 Kilometern abgesprengt, da es nicht mehr benötigt wird. Sollte es im weiteren Verlauf des Fluges zu einer Havarie kommen, wird ein anderes Landesystem für die Kosmonauten in Kraft treten – ähnlich dem bei einer normalen Rückkehr.
Zweitens: 118 Sekunden nach dem Start sind die vier am Zentralblock seitlich eingehängten Seitenblöcke (1. Stufe) ausgebrannt und werden in einer Höhe von etwa 60 Kilometern abgeworfen. Die 2. Stufe, die beim Start gleichzeitig mit diesen Boostern gezündet worden ist, arbeitet mit noch stärkerer Schubkraft weiter.
Drittens: Nach 159 Sekunden und in einer Höhe von etwa 85 Kilometern wird die nicht mehr benötigte aerodynamische Nutzlast-Verkleidung abgesprengt. Die zentrale zweite Stufe beschleunigt wegen des geringeren Gesamtgewichts jetzt noch weiter und befördert den Rest der Rakete auf 170 km Höhe.
Viertens: Nach 288 Sekunden Flugzeit wird die dritte Stufe gezündet und die ausgebrannte zweite abgeworfen.
Fünftes: Die dritte Stufe bringt das Raumschiff auf eine Höhe von zirka 230 Kilometer und verleiht ihm eine Geschwindigkeit von 28 000 km/h. Das Paket befindet sich jetzt etwa 1600 Kilometer vom Startplatz entfernt. Die dritte Stufe wird 539 Sekunden nach dem Start vom Raumschiff getrennt, das in seine Umlaufbahn um die Erde eintritt.
In fünf Abschnitten ist die Rakete zerlegt worden, der Start des mit Menschen besetzten Raumschiffes (oder Nutzlast) ist damit erfolgreich verlaufen. Operation gelungen, Rakete tot. Das Prinzip eines solchen Sojus-Starts gilt für alle anderen Raketen und alle anderen Startplätze auch. Lediglich die Parameter und Zeitabläufe weichen voneinander ab, da die Aufgabenstellungen und Nutzlasten unterschiedlich sind.
Auf viereckigen Rädern
Während des Starts werden im Träger starke Kräfte freigesetzt. Die Rakete schüttelt und rüttelt, es lärmt, pfeift und donnert. Die „Fahrgäste“ müssen Vibrationen und Beschleunigungskräfte aushalten. Der russische Kosmonaut Alexej Leonow hat das so beschrieben: „Wenn man den Eindruck hat, in einem Auto mit viereckigen Rädern zu sitzen und damit über Kopfsteinpflaster zu holpern, dann ist alles normal!”

Nach Angaben des Raketenbau-Herstellers Progress in Samara (früher Kuybischew) wurden dort von 1957 bis Anfang 2025 …über 2000 Träger verschiedenster Art gebaut. Fast alle beruhten auf der von Sergej Koroljow entwickelten Interkontinentalrakete R 7 (Semjorka). Aus ihr entstanden die Ableger vom Typ Sputnik, Wostok, Woschod, Molnija und Sojus. Mit rund 98 Prozent gelungener Starts gilt dabei das Sojus-Modell aller Spezifikationen als zuverlässigste Rakete weltweit.