Bozen (oder italienisch: Bolzano) ist die Hauptstadt der Autonomen Provinz Südtirol. Von dieser alten Handelsmetropole aus regiert der jeweilige „Landeshauptmann” das Geschehen in dem Landstrich, der einst innerhalb von Gesamttirol zur österreichisch-ungarischen Donaumonarchie zählte. Erst als Ergebnis des Ersten Weltkrieges wurde die Region im Zuge der Neuaufteilung Europas Italien zugeschlagen, was in der Folge zu widersprüchlichen und komplizierten politischen Verwerfungen führte, insbesondere in der Zeit der faschistischen Allianz zwischen Hitler und Mussolini.
Doch die politischen Hintergründe sind hier nicht das Thema, ich will hier zuallererst von meinen Spaziergängen auf dem Obstmarkt in Bozen erzählen. Frühling und Herbst sind dafür faszinierende Jahreszeiten. Der farbenfrohe Markt ist über die Grenzen Südtirols hinaus bekannt und jeweils von Montag bis Freitag (8.00 bis 19.00 Uhr) geöffnet, am Samstag wird jedoch bereits um 13.00 Uhr geschlossen. Von den Bauern und Händlern aus der Region wird in diesen Zeiten alles feilgeboten, was das Herz des Käufers begehrt.
Chilischoten leuchten in sattem Rot neben grüner Rucola, daneben strahlen Knoblauch-Bündel, goldgelbe Pfifferlinge sind neben Ingwer-Knollen zu finden, Kürbisse und Melonen lachen fröhlich in die Welt, Südtiroler Äpfel aller Art füllen die Stände, Erd- und Himbeeren liegen in kleinen Körbchen. Im Herbst sind Weintrauben an fast jedem Stand in der Überzahl, frische oder getrocknete Tomaten liegen nebeneinander. Salate, Kohlrabi, Gurken und anderes Gemüse von Karotten bis zu Erbsen kommt frisch von den nahen Äckern, aber es gibt auch Obst aus fernen Ländern wie Mango, Bananen und Ananas.

Auch Blumenstände zieren den Markt. Die Vielfalt des Angebots wird abgerundet von Ständen mit Käse, Wurstwaren, Südtiroler Speck und Bozner Brot. Und im Herbst werden geröstete Esskastanien von fliegenden Händlern auf der Straße verkauft.
Der Bozner Markt hat eine Jahrhunderte alte Tradition. An dieser Piazza delle Erbe verkauften schon im Mittelalter die Bauern ihre Erzeugnisse an die Bevölkerung der wachsenden Stadt. Und als der deutsche Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe sich 1786 mit der Kutsche in den Süden aufmachte, notierte in der „Italienischen Reise”:
„Auf dem Platze saßen Obstweiber mit runden, flachen Körben, über vier Fuß im Durchmesser, worin die Pfirschen nebeneinander lagen, daß sie sich nicht drücken sollten. Ebenso die Birnen.“
Pfirschen waren Pfirsische, die auch heute noch in den Ständen zu finden sind, genau wie Limonen, Feigen und Walnüsse. Es hat sich nicht viel geändert seit damals, abgesehen davon, dass aus dem ursprünglichen Viktualienmarkt zusätzlich eine für Bozen wichtige Touristen-Attraktion geworden ist – und das Angebot ist reichhaltiger als damals. Könnte Goethe den Obstmarkt heute besuchen, würde er bestimmt noch ganz andere Sätze finden.

Der Walther-Platz selbst lässt uns nach Obstmarkt und Altstadt tief Luft holen und vermittelt einen Hauch von Großzügigkeit und historischer Bedeutung – und ein erholsames Durchatmen nach dem Besuch auf dem Markt. Und wenn sich der gute Walther auf seinem Sockel, gesäumt von kräftigen Löwen zu seinen Füßen, ein bißchen herumdrehen würde, könnte er auch einen Blick auf den Obstplatz werfen, wo wir gerade noch eine Tüte Trauben gekauft haben…