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Silvana Mangano erntet
Reis in der Lombardei

Saisonkräfte in der Landwirtschaft haben in der Arbeitswelt keine guten Karten. Schon der italienische Film „Bitterer Reis“ (Foto: Alamy) zeigte vor 75 Jahren die Schattenseiten.

Als ich im Sommer 2025 in einer Frankfurter Tageszeitung einen Bericht über die teils unwürdigen Bedingungen der ausländischen Erntehelfer und -helferinnen beim mühseligen Spargelstechen las („Zwölf Stunden, mitunter auch 14 Stunden Maloche. Ohne richtige Krankenversicherung, ohne einen freien Tag.“), erinnerte ich mich an die frühen Fünfziger Jahre und einen italienischen Film, in dem in eindrucksvollen Bildern von den Reispflückerinnen in der Lombardei erzählt wurde. In der Po-Ebene ernteten sie bei kärglichem Lohn den begehrten Reis, bis zum Knie im Wasser stehend, bei glühennder Sonne und von Mücken gepeinigt.

Es waren arbeitslose Frauen aus unterschiedlichen Berufen; auch Hausfrauen, Prostituierte und Außenseiterinnen der menschlichen Gesellschaft. Nach der täglichen Arbeitsfron vergnügten sie sich abends bei gemeinsamen Gesängen, Tänzen oder anderen harmlosen Lustbarkeiten. Verdächtige Männer ohne Moral suchten sich unter den Reisarbeiterinnen kurzzeitige Gefährtinnen: oft mit bösem Erwachen, wahrhaft Bitterer Reis. Auch Silvana (Mangano) erfuhr leidvoll, dass sie dem kriminellen Walter (Vittorio Gassman) aufgesessen war, einem skrupellosen Betrüger. Andere leidenschaftlichen Beziehungen sind eingebettet in die soziale Realität der skrupellosen Ausbeutung. Unter der Regie von Giuseppe de Santis entstand eines der eindrucksvollsten Werke des italienischen Neorealismus in der Nachkriegszeit. 

Vittorio Gassman mit Silvana beim Tanzvergnügen. (Foto: ScreenProduktion / Alamy)

De gesellschaftliche Situation der armen italienischen Landbevölkerung blieb dem deutschen Publikum jedoch fremd. Gesprächsstoff in Illustrierten, Magazinen und Wochenschauen bot die Hauptdarstellerin Silvana Mangano, wobei ihre schauspielerische Leistung kaum Beachtung fand. Voller Prüderie und hinter vorgehaltener Hand wurde mit süffisantem Lächeln über ihren Busen geredet. Das war typisch für die krude Moral in der jungen Bundesrepublik, in der sich alle mit dem beginnenden „Wirtschaftswunder“ beschäftigten. Auch die deutsche Filmkritik blieb zurückhaltend in ihren Urteilen. Doch Dieter Fritko lobte in der „Frankfurter Rundschau“ vom 8. Dezember 1950:

Soziale Probleme anderer fanden gleichwohl wenig Anklang in der jungen Bundesrepublik, hatte man doch selbst gerade das Schlimmste an Not und Elend überwunden. Mit der neuen D-Mark ging es aufwärts; Die Arbeitsbedingungen lombardischer Erntekräfte blieben aussen vor. 75 Jahre später könnte der Film aber auch Bitterer Spargel heissen.


PINNWAND: Bitterer Reis (Originaltitel: Riso amaro) ist ein italienisches Drama aus dem Jahr 1949. Produzent: Dino De Laurentis, Regie: Giuseppe de Santis, Kamera: Otello Martelli, Musik: Goffredo Petrassi. Darsteller: Silvana Mangano (Silvana), Vittorio Gassman (Walter), Doris Dowling (Francesca), Raf Vallone (Marco). – Uraufführung am 21. September 1949 in Italien und am 27. Oktober 1950 in der Bundesrepublik. Frankfurter Premiere am 7. Dezember 1950 im Turmpalast.