Konservendosen aller Art werden heutzutage in der Regel mit vollautomatischen Maschinen befüllt. Vor einigen Jahrzehnten war das noch anders. Ich erlebte es in einer Fabrik, in der Zutaten für Konditoreien und Bäckereien verarbeitet wurden, darunter Gelee, Schokoladenmasse, kandierte Früchte wie Himbeeren, Kirschen und Erdbeeren. Es war eine kurze Erfahrung, die dem Berufsanfänger jedoch den Blick schärfte für Arbeitswelten, die viele Menschen ein Leben lang ertragen müssen.
Es ist Anfang Juni, Ende der Fünfziger Jahre. Drei Monate Zeit bleiben, eher eine neue Stelle bei einem Filmverleih anzutreten ist. Wie die Zeit überbrücken? Faulenzen oder arbeiten? Ich entschließe sich für einen Kurzzeitjob und finde ihn beim Stöbern im Stellenmarkt einer Zeitung: Ich werde Geleedosenbefüller!.
Es ist Hochsommer, der Weg zur Arbeit führt fußläufig von Sachsenhausen über die Deutschherrnbrücke, linker Hand steht die mächtige Großmarkthalle, rechts geht es über die Eyssenstraße und Honsellbrücke, vorbei an der Schrottverwertung Trapp in eine unscheinbar wirkende Fabrik im Frankfurter Osthafen.
Die Arbeit ist stupide und nach stundenlanger Arbeit – nur von kurzen Pausen unterbrochen – äusserst ermüdend. Ich sitzte gebückt auf einem harten Stuhl. Vor mir eine Maschine, deren Kopfteil sich, ähnlich einer Bohrmaschine, vor meinen Augen dreht. Auf einem schmalen Laufbahn rollen leere Konservendosen heran und stoppen vor meinen Augen.
Klebrige Angelegenheit
Aus einem dünnen Rohr ergießt sich warmes, klebriges Gelee in die leere Büchse. Als sie gefüllt ist, fällt ein Deckel auf die Dose und das Drehen beginnt von Neuem. Mit einem Hebel drücke ich eine rotierende Rolle an Dosenrand und Deckel. Die beiden Teile verbinden sich, der Deckel schliesst die Dose luftdicht ab, an der nächsten Station wird sie mit einem Etikett versehen und zum Versand in Kisten verpackt. Aus den mit Lastwagen angelieferten Fässern mit farblosem Gelee sind handliche Konservendosen geworden; Backpulver und kandierte Früchte werden auf die gleiche Art abgefüllt. Ich sehe bald Charlie Chaplin vor Augen. Genau wie dieser im Film Moderne Zeiten muss ich hunderte Male die gleiche Bewegung ausüben. Tag für Tag, Woche für Woche…
Der halbautomatische Vorgang ist nicht ohne. Bei jedem Schließvorgang schleudert die rotierende Maschine nebelige Spritzer in das Gesicht. Eine Brille soll die Augen schützen, doch klebriges, warmes Gelee dringt in Nase und Mund, die Haut ist benetzt davon, der Waschraum kann nicht alle Spuren beseitigen, vor allem nicht den Geruch der süßlichen Flüssigkeit. Unangenehm.
Vom Regen in die Traufe
Nach zwei Wochen die Bitte an den Betriebsleiter, an jener Maschine arbeiten zu dürfen, an der Backpulver abgefüllt wird. Die schnelle und positive Zusage des meist eher unfreundlichen Chefs macht mich stutzig, aber ich erkenne zu spät, dass ich geradewegs vom Regen in die Traufe gekommen bin. Statt des Gelees verschließt nun feinster Backpulverstaub die Poren, stäubt das Gesicht ein und dringt durch die schützende Brille, das Atmen wird zur Qual. Ich halte die drei Monate durch, aber weiß jetzt, dass manche Arbeitswelten mehr als übel sind, aber ich erkenne auch: Es gibt weit Schlimmeres!