Fritz Lang schuf einst als Regisseur den Kriminalfilm Das Testament des Dr. Mabuse. Der Streifen gilt bis heute als Parabel auf die Naziherrschaft und wurde deshalb von Propagandaminister Dr. Joseph Goebbels umgehend verboten. Als ich vor kurzem eine DVD des Filmes entdeckte, erinnerte ich mich daran, diesen Klassiker erst vor ein einigen Monaten im deutsch-französischen Kulturkanal „arte” gesehen zu haben. Es handelt sich um einen Kriminalfilm, der Geschichte geschrieben hat. Der Thriller von 1933 ist in Deutschland erstmals im August 1951 gezeigt worden, in Frankfurt am Main wurde er am 11. September im „Bieberbau” an der Hauptwache gestartet.
Die jahrelange Verzögerung hatte politische Gründe. Regisseur Fritz Lang hatte den Film bereits 1932/33 in Berlin in einer deutschen und französischen Fassung gedreht, doch beide Versionen wurden wegen der von Minister Dr. Joseph Goebbels unterstellten Parabel auf die Naziherrschaft in Deutschland von den Leinwänden verbannt.
Ob eine Warnung vor dem Faschismus wirklich die Intention von Fritz Lang war, sei daheingestellt. Der Bezug zum Nazi-Regime ist zwar unübersehbar, aber Lang hatte einen generellen Abscheu vor Totalitarismus jedweder Art. Heutzutage kann der Streifen auch als Warnung vor dem internationalen Terrorismus verstanden werden – und für andere politische Konstellationen gilt das ebenso.
Fritz Lang war vielmehr von den Romanen des luxemburgischen Schriftstellers Norbert Jacques fasziniert. Sie dienten ihm als Vorlage für das spannende Thema. Bereits 1922 hatte er einem zweiteiligen Stummfilm mit dem Titel Dr. Mabuse, der Spieler gedreht. Als der Tonfilm seinen Siegszug antrat, erkannte Lang instinktiv, dass sich die Gestalt des ”genialen Verbrechers” noch kreativer und dramatischer würde darstellen lassen als es im Stummfilm möglich gewesen war.

Wie sehr Fritz Lang von der Figur des Mabuse besessen war, läßt sich daran erkennen, dass sich auch sein letzter Film 1960 mit dem Auftritt des Verbrechers beschäftigte. In dem Spätwerk Die 1000 Augen des Dr. Mabuse läßt Lang den diabolischen Dr. Mabuse noch einmal sein kriminelles Geschäft verrichten – diesmal agiert der Bösewicht gegen die Medien und eine totale Überwachungsgesellschaft.
Seiner Zeit voraus
Rund fünfundachtig Jahre nach dem Erscheinen wirkt Das Testament des Dr. Mabuse inmitten der Schwemme brutalster Tatort-Reißer und anderer auf Mord und Totschlag spezialisierter Fernseh-Krimis eher betulich, was allerdings seiner künstlerische Meisterschaft nichts anhaben kann. Der Film war seiner Zeit weit voraus.
Es handelt sich um die Geschichte eines Mannes, der zwar schon seit langem in einer psychiatrischen Heilanstalt lebt, aber mit Hilfe eines von ihm beeinflussten und manipulierten Arztes Angst und Entsetzen in der Welt verbreitet. Als dieser Dr. Mabuse dann stirbt, treibt der Klinikchef weiter sein Unwesen – und als Kriminalkommissar Lohmann ihm doch auf die Schliche kommt, verfällt auch der Mediziner dem Wahnsinn.
Die gerade an die Macht gekommen Nazis hatten jedenfalls Angst vor dem suggestiv inszenierter Thriller. Der Kritiker Alfred Happ begründete das im September 1951 nach der Aufführung in der Tageszeitung „Frankfurter Rundschau” schlüssig:
„Die Essenz dieses Films ist, dass ein Wahnsinniger Gesunde so unter seinen Einfluss bringen (kann), dass sie in seinem hypnotischen Auftrag Verbrechen begehen. Propagandaminister Goebbels’ Köpfchen begriff, dass eine solche Essenz nicht unter die Leute kommen durfte, und verbot den Film.”
PINNWAND: Das Testament des Dr. Mabuse ist eine Literaturverfilmung aus dem Jahr 1932/33. Romanvorlage: Norbert Jaques, Drehbuch: Thea von Harbou, Regie. Fritz Lang. – Darsteller: Rudolf Klein-Rogge (Dr. Mabuse), Oscar Beregi (Professor Braun, Leiter einer Nervenklinik), Theodor Loos (Brauns Assistent Dr. Kramm), Otto Wernicke (Kriminalkommissar Lohmann), Klaus Pohl (Kriminalassistent Müller), Camilla Spira (Juwelen-Anna), Theo Lingen (Karetzky), Paul Henckels (Litograph), Gustav Diessl (Kent), Rudolf Schündler (Hardy). – Kamera: Arno Wagner, Karl Vash. – Musik:Hans Erdmann.