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Buch

Nonna. Thomas de Padovas
italienische Angelegenheit

Der italienische Ort Mattinata (Foto: Imago) ist Schauplatz eines Romans von Thomas de Padova, in dem es um das schlichte Leben seiner Großmutter geht – um seine Nonna!

Thomas de Padova verfasst wissenschaftlich durchdrungene Sach- und Fachbücher. Der Journalist und Autor, 1965 in Neuwied geboren, so sagt seine vom Verlag verbreitete Vita, studierte Physik und Astronomie in Bonn und Bologna, war zeitweise Redakteur beim Berliner „Tagesspiegel“, arbeitete am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte und war Stadtschreiber von Bonn. „Allein gegen die Schwerkraft. Einstein 1914–1918“; „Alles wird Zahl. Wie sich die Mathematik in der Renaissance neu erfand“; „Das Weltgeheimnis: Kepler, Galilei und die Vermessung des Himmels“; „Leibniz, Newton und die Erfindung der Zeit“; „Quantenlicht. Das Jahrzehnt der Physik 1919–1929“ sind Thomas de Padovas bekannteste Bücher. 

Allesamt eine Mischung von wissenschaftlicher Betrachtung und mühseliger Faktensammlung, aber gerade für Laien spannend wie gute Detektivgeschichten. Schon die pfiffigen Titel machen Lust aufs Lesen. Die leichtgängigeren Bücher „Schlau nach acht“, „Wissenschaft im Strandkorb“ und „Die Kinderzimmer-Akademie“ befassen sich mit Alltagsfragen, auf die nicht jeder gleich eine Antwort weiß. Rätsel und offene Fragen werden beantwortet, humorvoll gewürzter Erkenntnisgewinn, nicht nur für junge Menschen.

Zwischen diesen Wissensbüchern fällt Nonna aus dem Rahmen, wurde es dochzu einem persönlichen Familienbekenntnis. Ein Buch, in dem stimmungsvoll aus dem einfachen Leben und der düsteren Welt seiner italienischen Großmutter berichtet wird. Als Kind und Heranwachsender hatte Thomas de Padova mit seinen Eltern die Sommerferien oft in dem italienischen Ort Mattinata in Apulien verbracht, aus dem seine männlichen Vorfahren stammten. 

Flucht vom Stiefel

Urgroßvater, Großvater und Vater waren hier geboren worden und zu unterschiedlichen Zeiten aus dieser armen Gegend in Italien – am Sporn des italiensichren Stiefels – aufgebrochen, um in der weiten Welt ihr Glück zu finden. Amerika und später Deutschland waren ihre Fluchtpunkte für ein besseres Leben. Seine Nonna, die Großmutter, war geblieben, sie hatte nichts anderes gesehen als den kargen von Armut geprägten 6000-Seelen-Ort – fast schon eine Kleinstadt  – mit den vor der brennenden Sonne schützenden weißen Häusern, umspült vom Wasser der Adria; und sogar mit einem kleinen Wikipedia-Eintrag.

Die Nonna erwartete die Familie ihres Sohnes mit Enkel Thomas auf einem Stuhl im Dunkel sitzend: eine alte, schwarz gekleidete Frau vor der sich Thomas als Kind sogar fürchtete. Das Zimmer war ihr zur Heimat geworden, und in diesem kam es erst zu längeren Gesprächen als dieser ein junger Mann geworden war und sich nicht mehr nur für das Wellen schlagende Meer interessierte. 

Häuserfront in Mattinata. (Foto: Imago, Deposit)

Über das Leben, das sie geführt hatte, öffnete sie sich allerdings nur zögernd und bruchstückhaft. Ihre Beziehung zu seinem Großvater blieb zunächst unklar in der Düsternis des Zimmers. Später erzählte sie mehr von ihren frühen Verehrern und Heiratskandidaten und aus welchen Gründen sie ihren Mann geheiratet hatte. Eine alte Nähmaschine stand im Zimmer, das Telefon, zu dem sie die besorgten Nachbarn überredet hatten, blieb überwiegend ungenutzt, einen Kühlschrank gab es nicht, der Wechsel vom Lira zum Euro in ihren letzten Lebensjahren trieb sie zur Verzweiflung. 

Manches blieb gleichwohl im Dunkeln, Geheimnisse bleiben Geheimnisse, auch in Familien. Als Thomas de Padova gefragt wurde, was für eine Mensch sie gewesen sei, fiel die Antwort nicht schwer:

In seinen tagebuchartigen Erzählungen schildert Thomas de Padova wie er sommers mit ihr in diesem Halbdunkel saß. Oft Stunden, in denen nichts geschah. Es wurde wenig gesprochen, sie gab nur wenig von sich preis, so dass nur ein unvollständiges Gemälde ihres Lebens entstand. Berührend schildert Thomas de Padova die Stunden, an dem seine Nonna diese Welt verließ, nicht ohne vorher noch um ihr geliebtes Zitroneneis zu bitten…

Soziale Aspekte

Nonna ist keine Biografie herkömmlicher Art, kein glattes Aneinanderreihen von Gesprächen, kein Roman im üblichen Sinne, sondern liebevolles Eintauchen in eine deutsch-italienische Familiengeschichte, in der es nicht alleine um die Großmutter geht, sondern in tiefer gehenden Notizen auch um geschichtliche und soziale Aspekte des Landes. Eine italienische Angelegenheit.


PINNWAND: Das Zitat von Thomas de Padova über seine Nonna stammt aus einem Interview, dass der Hanser-Verlag Berlin führte.