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Hollywoodkino

Beklemmender Reißer um eine gewissenlose Schurkin

Ein Internet-Anbieter offeriert mir den Thriller Frau ohne Gewissen (Double Indemnity) als Disk; überarbeitet, gereinigt und in Bestform, so die Werbebotschaft. Grund genug, um sich mit diesen Film zu beschäftigen, den ich vor vielen Jahren im Kino gesehen habe. Der Kriminalfilm ist in den vom „American Film Institute“ (AFI) gepflegten Top-Listen mehrfach vertreten: Auf Platz 29 der 100 besten amerikanischen Filme aller Zeiten, auf Platz 24 der 100 besten Thriller sowie auf Platz 8 der „Top 50 der Schurken oder Schurkinnen“ (Barbara Stanwyck). Ein gewisser Woody Allan, nicht gerade unbekannt in der internationalen Filmszene, hat seine Meinung drastischer ausgedrückt: „Der beste Film, der je gemacht wurde!“ Double Indemnity war Billy Wilders dritter Film als Regisseur. Der Originaltitel bedeutet so viel wie „doppelt ausgezahlte Versicherungssumme bei Unfalltod.“ 

Wilder hat außer Western viele Genres bedient. Dramen wie „Das verlorene Wochenende“, „Boulevard der Dämmerung“, „Reporter des Satans“, „Zeugin der Anklage“ sind ebenso in Erinnerung geblieben wie die glänzenden Komödien „Manche mögen’s heiss“ oder „Das Appartement“. Als Kriminalreißer ist Frau ohne Gewissen ein Meisterwerk in Wilders Schaffen. Schon zu Beginn erfährt der Zuschauer in einer langen Rückblende was geschehen ist. Walter Neff legt ein Mordgeständnis ab, schildert Details, präzise und genau wie das Kleingedruckte in den von ihm abgeschlossenen Versicherungsverträgen.

Tanz um das Goldene Kalb

Der Zuschauer wird konfrontiert mit einen Tanz um das Goldene Kalb, wobei die undurchsichtige Phyllis Dietrichson (Barbara Stanwyck) den Takt vorgibt und es versteht, schlummernde dunkle Seiten im  Charakter des Versicherungsmenschen und Durchschnittsbürgers Neff zu wecken. Neff erliegt nicht nur den Reizen von Dietrichson, sondern auch der Versuchung, sich zu bereichern, mit der Geliebten ein neues, sorgenfreies Leben zu beginnen und deshalb des Geldes wegen zu töten. 

Die Nüchternheit des Mordes lässt erschauern. Als Neff den Ehemann im Auto erschiesst, wird das Gesicht von Phyllis Dietrichson in Großaufnahme gezeigt. Sie wirkt teilnahmslos, gleichwohl befriedigt, zeigt keine Regung von Gefühl oder Mitleid. Manche Kritiker glaubten, in ihren Augen sogar ein erotisches Glitzern entdeckt zu haben. 

Das Mörderpaar legt den Getöteten auf die Gleise, um einen Unfall vorzutäuschen, denn dann wir die doppelte Versicherungssumme ausgezahlt. Der Plan scheint aufzugehen. Doch Barton Keyes (Edward G. Robinson), kleinbürgerlicher, akribischer Ordnungsfanatiker und Vorgesetzter von Neff, schöpft Verdacht. Zunächst hat er nur die Witwe im Visier. Dann erkennt er, dass sie einen Mittäter gehabt haben muss. Dass es sein Freund Neff ist, ahnt er (noch) nicht… 

Als für Neff erkennbar wird, dass Dietrichson ihn nur für ihre eigenen Interessen benutzt hat, kommt es zur blutigen Auseinandersetzung. Neff erschiesst seine Geliebte, er selbst wird tödlich verwundet, er hat noch Zeit, um sein Geständnis auf Tonband sprechen, eher er vor den Augen seines Chefs zusammenbricht.

Licht und Schatten

Wilder bestand bei der Produktionsfirma Paramount darauf, den Film, der in einer bürgerlich-schlichten Umgebung spielt, in Schwarzweiß zu drehen. Er spielte mit Sonnenlicht, das durch eine Jalousie glitzert, setzte Licht- und Schatteneffekte ein, ließ Dunkelheit über vielen Szenen schweben; im Wochenschau-Stil gedrehte Aufnahmen vermitteln den Eindruck an einem realen Geschehen teilzunehmen. Reportagehafte Bilder von Kameramann Seitz drücken dem Film ihren Stempel auf. 

Über die Wirkung und Bedeutung des Films, haben sich – klischeehaft ausgedrückt – Kritiker und Historiker schon die Finger wund geschrieben. Die meisten kamen zu dem Schluss, dieser Film habe die Schwarze Serie (Film noir) Hollywoods eingeläutet, noch bevor der Begriff benutzt wurde. Ansätze in die Richtung des Film noirs hatte es allerdings schon vorher gegeben, zum Beispiel „Die Spur des Falken“, 1941).


PINNWAND: Frau ohne Gewissen (Originaltitel: Double Indemnity), Paramount Pictures (1944) nach einer Roman von James M. Cain. – Regie: Billy Wilder, Drehbuch: Raymond Chandler und Billy Wilder. – Kamera:  John F. Seitz. – Hauptpersonen: Barbara Stanwyck (Phyllis Dietrichson), Fred MacMurray (Walter Neff), Edward G. Robinson (Barton Keyes). War für sieben Oscars nominiert, ging aber leer aus. Barbara Stanwyck unterlag gegen Ingrid Bergman (Das Haus der Lady Alquist).