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Reiseimpression

Handwerkskunst prägt
Gesicht des Etar-Museums

Wer als Tourist mit dem Auto durch Bulgarien tourt und dabei von Sofia über das legendäre Rosental und den Schipka-Pass nach Varna fährt, sollte sich die Zeit nehmen, den „Ethnographischen Komplex Etar“ zu besuchen. Was sagt uns der sperrige Begriff, was hat es mit diesen eigenartigen bulgarischen Dorf im Balkangebirge auf sich? Wir sind neugierig und wollen die Frage nicht nur stellen, sondern auch Antworten erhalten. 

Deshalb biegen wir von der Schipka-Höhe kommend etwa neun Kilometer südlich der Stadt Gabrovo von der Pass-Strasse (E 85) rechts ab, suchen uns einen Parkplatz und nähern uns zu Fuß diesem Freilichtmuseum, das 1964 gegründet und von der damaligen kommunistischen Regierung zum Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung erhoben wurde. Aber Vorsicht! Solides Schuhwerk ist Pflicht, denn fast alle Wege und Straßen sind „grobschlächtig“ gepflastert. Eine junge Frau, die hochhackig daherstolziert, muss ihre „Kühnheit“ vor unseren Augen mit einem abgebrochenen Absatz bezahlen.

Blick in die Handwerkerstraße in Etar. (Foto: Imago / YAY Images)

Etar ist der antike Name des Flusses Yantra, der durch die nahe gelegene Stadt Gabrovo fließt. Mit dieser Bezeichnung – so die Intention der Gründer – soll die enge Verbindung zwischen Wasser und der Entwicklung des Handwerks in der Region ausgedrückt werden. Ziel ist, Gebäude und Geräte zu präsentieren, die bereits früher zum Leben der Menschen im Balkan-Gebirge gehörten und heute noch in Bulgarien zum täglichen Leben zählen, darunter Mühlen, Sägewerke, Drehbänke Schalen und Fässer. Eine „Rinnsal“-Anlage zeigt eindrucksvoll, wie das Wasser durch komplizierte mechanische  Vorrichtungen verschiedene Gegenstände zu bearbeiten vermochte. Messer wurden geschärft,  Getreide gemahlen, Wolltücher gewebt, Holzgefäße gedreht.

Doch Wasserkraft ist nicht alles in Etar. Auf der Straße der Handwerker sind 16 Häuser zu besichtigen, alle fast exakte Kopien von Gebäuden, die früher in Gabrovo und Umgebung standen. Ihnen wurde nach dem Wiederaufbau neues Leben eingehaucht, um den Handwerkern die Möglichkeit zu geben, ihrer Alltagsarbeit nachzugehen. Beachtenswert.

Frauen beim Wolle spinnen in Etar. (Foto: Kaatosha / Shutterstock.com)

Wir erleben, wie Glocken und Tierschellen gegossen werden, sehen Töpfer bei ihrer filigranen Arbeit, beobachten Kürschner, schauen einem Schmied über die Schulter. Wohin das Auge blickt, ist Interessantes zu entdecken, wir sehen antike Webstühle, uralte Backstuben, Frauen mit einer Handspindel aus Rohwolle Strickfäden zwirbeln oder Wollsachen stricken; an einer Ecke steht ein knorriges Pferdefuhrwerk, ein Instrumentenbauer entlockt einer Flöte erste Töne.

In den Werkstätten und unter freiem Himmel produzieren die Handwerker ihre Waren wie in der Vergangenheit. Zu beobachten sind alte Techniken der Verarbeitung von Metall, Holz, Ton, Wolle, Ziegenleder und anderen natürlichen Rohstoffen. Es werden originale Werkzeuge benutzt, Produkte können gekauft und mitgenommen werden. 

Schmied bei der Arbeit im Museum Etar. (Foto: Imago / Pond 5)

Die im Land beliebten Hirtenflaschen, Teller, Eierbecher oder Schmuckkästchen finden Abnehmer, auch wenn es nicht nur Volkskunst ist, die hier feilgeboten wird. Industriell angefertigte Massenprodukte sind an den Verkaufsständen ebenfalls zu finden. Es fehlt auch nicht an kitschigen Gegenständen, angefangen von überbunten Ansichtskarten bis zu anderem Folklore-Tand. Aber das ist eine andere Geschichte.