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Iwan Rilski flieht in die Berge und gründet ein Kloster…

An der Alexander Newski-Kathedrale in Sofia steige ich in den Bus, der die Reisegesellschaft in das 120 Kilometer von der bulgarischen Hauptstadt entfernte „Rilska Manastir“ bringen wird, das seit 1983 zum Weltkulturerbe der UNESCO zählt. Ich habe gelesen, dass die wunderschönen Wandmalereien und Fresken „Schuld“ an der begehrten Auszeichnung tragen. Alleine diese Arbeiten anzuschauen, soll die zweistündige Fahrt lohnen. Wer hier in den Bus steigt, sollte allerdings wissen, dass hochhackige Schuhe, Miniröcke, kurze Hosen sowie Oberbekleidung ohne Ärmel beim Besuch des Klosters nicht erwünscht sind, obgleich vor Ort nicht immer darauf geachtet wird.

Der Bus rollt zwischen der Stadt Pernik im Westen und dem über 2000 Meter hohen Vitoscha-Gebirge im Osten über die Europastraße 79, die Sofia mit dem griechischen Thessaloniki verbindet, unserem südlich gelegenen Ziel entgegen. Die Mitreisenden unterhalten sich angeregt über das, was uns erwarten wird. Beim Ort Bobosevo verlässt der Fahrer die internationale Trasse und wechselt auf die Landstraße, kurz darauf passiert der Bus die Stadt Rila und folgt auf holprigem Untergrund der ausgeschilderten Strecke zum Kloster. Das „Rilska Manastir“ ist das größte Kloster Bulgariens, liegt im gleichnamigen Gebirge in einem Hochtal auf einer Höhe von 1140 Metern Höhe, umgeben von dichten Wäldern. Das Flüsschen Drushlyawitsa mündet hier in die größere Rilska.

Am Parkplatz stehen wir vor einer wuchtigen Mauer mit bogenförmigem Eingang. Die Gebäude wirken wie eine wehrhafte Burg. Außen dominiert spartanisches Mauerwerk und kaum Pomp, was auch kein Wunder ist, hatten sich doch die braven Mönche oft übler Angriffe zu erwehren. Doch als unsere Gruppe die inmitten der viereckigen Anlage gelegene Kirche der Jungfrau Maria mit ihren fünf Kuppeln betritt, wird sie fast geblendet von farbenfrohen Wandmalereien. Aus Holz geschnitzte Ikonen und Fresken der bulgarischen Maler Samokov und Bansko stechen ins Auge. Außerdem befinden sich in der Kirche die Gebeine des Klostergründers Iwan Rilski.

Eingang zum Rila-Kloster. (Foto: Clipdealer))

Reiseleiterin Elena T. hatte uns während der letzten Kilometer der Fahrt einen Überblick über die Geschichte des Klosters gegeben. Sie erzählte vom Mönch Iwan Rilski, der im 10. Jahrhundert aus Protest gegen die verlogene Moral der offiziellen Kirche als Eremit in die Einsamkeit der noch wilden Berge geflohen war. Sie berichtete, wie andere kritische Geister ihm folgten und wie sie gemeinsam ein Kloster errichteten, das für viele Gläubige zum Wallfahrtsort wurde. Iwan Rilski sei nach seinem Tode heilig gesprochen worden, was die Verehrung und Bewunderung für ihn in der gläubigen Bevölkerung gesteigert habe. 

Ob das Kloster nach der Eroberung Bulgariens durch die Osmanen (1393-1396) zerstört wurde, sei entgegen anders lautender Berichte nicht belegt, doch habe das Kloster an Bedeutung verloren. Tatsächlich, so berichtete Elena am Mikrofon, soll es erst im späten 15. Jahrhundert geplündert worden sein. Nachdem es 1830 einem Brand zum Opfer fiel, sei es mit Engagement vieler Menschen und der finanziellen Hilfe von Spendern aufgebaut und 1860 eingeweiht worden. Welche Bedeutung das Kloster für Bulgarien und seine Geschichte habe, sei daran zu erkennen, dass es „auch unter kommunistischer Regentschaft zwischen 1945 und 1989 als Nationaldenkmal gepflegt und gefördert wurde.“

Beeindruckende Deckenmalereien im Rila-Kloster. (Foto: DennisvWater/stock.adobe.com)

Beim Rundgang durch die Klosteranlage wirken manche Mönche genervt von der einen oder anderen Frage, was auch kein Wunder ist bei der Vielzahl von Besuchern. Innere Einkehr, die von den Mönchen gesucht wird, ist tagsüber kaum möglich. Das Kloster ist allerdings auch ein wirtschaftlich ausgerichtetes „Unternehmen“, das trotz Förderung verschiedener Institutionen zusätzliche Einnahmen generieren soll. Deshalb werden Übernachtungen in kargen Zellen angeboten. In der Bibliothek und in kleinen Läden werden Ikonen, Alben, Postkarten, frisches Brot und andere Souvenirs feil geboten. Auch bulgarische Handwerkskunst darf nicht fehlen. Der Lewa muss auch in diesem kulturellen Kleinod rollen…

Wenn ich auf meinen Besuch zurückblicke, sehe ich eine Anlage, deren in sich geschlossenen Außengebäude profan wirken. Doch im Innenhof strahlt die Kirche der Jungfrau Maria eine Anziehungskraft aus, die bei jedem Schritt durch die Wand- und Deckenmalereien verstärkt wird und beim Betrachter eine Art Herzklopfen auslöst. Reine Bewunderung für die Schönheit des Geschaffenen! Und niemand muss dafür einen religiösen Hintergrund mitbringen.