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Weltraum

Mondsüchtige flirten weltweit mit Frau Luna

Wenn vom Mond (männlich) die Rede ist, wird in Anlehnung an die römische Mythologie sowie einer äußerst schmissigen Operette von Paul Lincke gerne auch von Frau Luna (weiblich) gesprochen. Die burlesk-phantastische Geschichte nach einem Libretto von Heinrich Bolten-Baeckers war am 2. Mai 1899 im Berliner Apollo-Theater uraufgeführt, im Laufe der Jahre aber ergänzt worden, ehe 1922 ihre endgültige Fassung feststand. Die bekanntesten Musikstücke sind der Marsch Das macht die Berliner Luft, Luft, Luft, das Duett Schenk mir doch ein kleines bißchen Liebe und die Arie Schlösser, die im Monde liegen…

Wenn ich also hier von Frau Luna schreibe, meine ich jenen „blonden“ Himmelskörper, der als Mond (männlich also) in die Geschichte der Weltraumfahrt eingegangen ist, obwohl in der UdSSR die Flugkörper zum Nachbarn ebenfalls als „Luna“ bezeichnet worden waren. Vor Jahrzehnten war diese Frau Luna von den Vereinigten Staaten und der Sowjetunion heftig umworben worden, doch kaum hatte sie die USA erhört, verloren diese schnell die Lust an der Liaison. Die Dame war ihnen auf Dauer zu kostspielig. Doch nun fühlen sich die USA bemüßigt, ihre alte Liebe wieder aufzufrischen. Auch China, Russland, Indien, Israel, Japan und Europa flirten heftig mit der blonden Nachbarin.

Reden wir nun aber nicht mehr von Frau Luna, sondern schlicht vom Mond. Es war am 20. Juli 1969, als um 21.17 Uhr deutscher Zeit eine Landefähre mit den us-amerikanischen Astronauten Neil Armstrong und Edwin Aldrin auf dem Himmelskörper aufsetzte, während Michael Collins in Apollo 11 weiter den Mond umkreiste. Sechs Stunden später betrat Neil Armstrong als erster Mensch den Mond und sprach:

„Ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit.“

Nach Beendigung des Apollo-Programms 1972 geriet der Mond als Objekt der Begierde in Vergessenheit, weil auch die sowjetischen Konkurrenten aus dem Kalten Krieg ihre Ambitionen einer Landung mit Kosmonauten nicht weiter verfolgten. Neuerdings aber sind Sondenflügen zum Erdtrabanten wieder „in“. Dabei werden sowohl nationale als auch bilaterale Projekte verfolgt. Die Aktivitäten haben nicht nur mit wissenschaftlichem Interesse zu tun. Es geht vor allem darum, die natürlichen Ressourcen des Mondes auf kommerzieller Basis auszubeuten. Milliardenschwere, private Investoren wittern das große Geschäft. Und es geht auch um große Politik.

Das Gateway-Projekt

In den Geschichtsbüchern wird genau beschrieben, was ich vor dem Bildschirm miterleben durfte. Noch weitere fünfmal landeten US-Raumfahrer auf dem Erdtrabanten, aber es ist erstaunlich, wie schnell diese weiteren Mondbesuche aus dem Gedächtnis der meisten Menschen verschwunden sind. Erstaunlicherweise scheint der mißglückte Flug von Apollo 13  (durch den gleichnamigen Film beeinflusst) deutlicher im Gedächtnis haften geblieben zu sein als viele der gelungenen Landungen. 

Gateway soll zwischen Erde und Mond am so genannten Lagrange-Punkt L1 positioniert werden, wo sie zusammen mit dem Mond die Erde umkreisen würde, wobei sie sich jahrelang nahezu antriebslos aufhalten kann. Es werden allerdings auch noch andere Optionen geprüft. Fest steht allerdings, dass die Station im Gegensatz zur ISS nicht ständig besetzt sein soll, sondern als Zwischenstation für Flüge zum Mond oder Mars dient. Amerikanische Astronauten, darunter eine Frau, sollen bereits 2024 im Artemis-Programm wieder auf dem Mond landen, finanziert durch radikale Kürzungen im Bildungsbereich.

Am vielversprechendsten ist das von den USA verfolgte Projekt Gateway. Dafür werden aus Kostengründen weitere Partner gesucht. Die russische Weltraum-Organisation Roskosmos hatte einst bekräftigt, trotz gewisser Irritationen bei der Zusammenarbeit mit der NASA, sich an Gateway zu beteiligen. Ob das wegen des Ukraine-Krieges noch gilt, ist eher unwahrscheinlich. Japan, Kanada und die Europäische Weltraumorganisation ESA haben ebenfalls signalisiert, das Projekt finanziell (und auch mit wissenschaftlichen Beiträgen) zu unterstützen.

Zuletzt Indien und Japan

China, das sein Raumfahrt-Programm sehr zielstrebig, gleichwohl aber sehr behutsam verfolgt, macht keinen Hehl daraus, dass man innerhalb des nächsten Jahrzehnts den Mond mit Taikonauten oder Taikonautinnen erreichen möchte. Diesem Zweck dienten auch der experimentelle Flug mit der Raumstation Tiangong-2 im Jahr 2016 sowie die Landung eines Roboters auf der Rückseite des Mondes am 3. Januar 2019. Die Landung auf der Mond-Rückseite zeigte die hohe Qualität der chinesischen Raumfahrt.

Indischer Jubel nach der erfolgreichen Mondlandung. (Foto: Imago Images/NurPhoto)

Während im August 2023 Russlands Versuch, die Sonde „Luna 25″ zu landen, scheiterte, war Indien mit seinem Kundschafter „Chandrayaan 3″ zum gleichen Zeitpunkt erfolgreich. Japan wurde im Januar 2024 als fünftes Land ein erfolgreicher Mondbesucher, doch gab es Probleme mit der Stromversorgung des Landemoduls. Den USA gelang Ende Februar die erste kommerzielle Landung mit Nova C. Im Juni 2024 landete China auf der Rückseite des Mondes und brachte von dort Gesteinsproben zur Erde zurück.

Wie man sieht, wird gegenwärtig von vielen Nationen intensiv mit „Frau Luna“ geflirtet.


PINNWAND, Mondmissionen der vergangenen Jahre: 2019 (Israel): Landung von privater Bereshet-Sonde missglückt. – Dezember 2020 (China): Landung von Chang’ge 5 und Rückkehr zur Erde mit Gesteinsproben. – April 2023 (Japan): Sonde „Weißer Hase” bei der Landung zerschellt. – August 2023 (Russland): Luna 25 (nach Triebwerksproblemen hart aufgeschlagen). – August 2023 (Indien): Chandrayaan 3 (weich gelandet). – Januar 2024 (Japan): Sonde SLIM auf dem Mond gelandet. – Januar 2024 (USA): Private Mission „Wanderfalke“ wegen diverser Probleme nach dem Start gescheitert. – Februar 2024: Erste kommerzielle US-Mission (Nova C) gelungen. – Juni 2024 (China): Chang’e-6 auf der Rückseite des Mondes gelandet und Rückführung von Gestein zur Erde.