Kategorien
Reise

Drei uralte Lärchen locken Touristen ins Ultental

Das Ultental also! Drei uralte Lärchen stehen am Ende des Tales in der Fraktion St. Gertraud. Unsere Tagestour führt uns vom Südtiroler Urlaubsort Algund nach St. Gertraud, der letzten Ansiedlung im Tal, das sich 40 Kilometer lang von der Obststadt Lana im Meraner Becken bis zu den Bergbauernhöfen im Osten hinzieht. Das Tal gibt auch der Hauptgemeinde den Namen: Ulten mit den Ortsteilen St. Pankraz, St. Walburg, St. Nikolaus und St. Gertraud. Kleine Weiler und einzelne Gehöfte gehören ebenfalls zu Ulten. Von Meran kommend, biegen wir in Lana ab, die Straße führt anfangs kurvenreich bergan, bevor sie nach einigen Kilometern sich beruhigt, und fast eintönig und gerade weiterführt, dabei zwei Tunnels passierend.

Das Tal ist von mächtigen Gebirgsmassiven eingerahmt, Lärchen-, Tannen- und Fichtenwälder an den Flanken der Berge geben ihm Halt. Wir passieren zwei fischreiche Stauseen. Zuerst den „Pankrazer“ in 804 Meter Höhe, dann den „Zoggler“ (1137 Meter) zwischen St. Walburg und Kuppelwies, beide gespeist vom Falschauerbach. Wir erblicken das Grün der Almwiesen, sehen verfärbtes dunkles Lärchenholz an den Bauernhäusern, auf deren Dächer schwere Steine ruhen, um der Witterung zu trotzen. 

Die Fraktion St. Pankratz ist die größte Siedlung im Ultental. Zwischen Wäldern und weitläufigen Wiesen sind alte und schöne Höfe entstanden, stabiles Lärchenholz hält sie über Jahrzehnte hinweg in guter Verfassung. Der Blick schweift über eine idyllische Landschaft, durchzogen von Spazierwegen und Hinweisen zu Hochtouren in die umliegenden Berge.

Holzreiches Ultental. (Foto: Uwe Rieder/stock.adobe.com)

Ziegen und Kühe grasen auf den Weiden, hin und wieder galoppieren Pferde über die Wiesen. Rothirsche und Steinböcke, die zu den „Ureinwohnern“ des Landstriches zählen, sind in der Ferne zu erkennen, am azurblauen Himmel kreisen zwei Steinadler. Wir befinden uns in einer urtümlichen Landschaft.

In der Nähe befindet sich Mitterbad, das mit seinen kupfer- und eisenhaltigen Quellen in den vergangen Jahrhunderten viel Prominenz anlockte, heutzutage aber verfallen ist. Auch andere Bäder in der Nähe lockten. So kurte die reiselustige Kaiserin Elisabeth („Sissi“) 1871, 1889 und 1897 im Ultental, Otto von Bismarck wurde gesichtet, der Wiener Arzt Sigmund Freud war zu Gast und auch die Schriftsteller-Brüder Thomas und Heinrich Mann sowie Franz Kafka verbrachten einige Wochen in der lieblichen Gegend.

St. Gertraud ist die letzte Fraktion im Tal. Nahe am Ortseingang rumpelt die „Lahner Säge“. Das Wasser stürzt über die Schaufeln in den Bach. Doch es ist nur ein Schauspiel, gearbeitet wird in dem alten Sägewerk nicht mehr, es ist Museumsstück geworden und Besucherzentrum des Nationalparks Stilfser Joch.

Das historische Sägewerk in St. Gertraud. (Foto: Imago Images/Phantermedia)

Rechts und links der Straße, die erst 1949 bis hierher gebaut wurde – vorher wurden die geschlagenen Baumstämme über den Falschauerbach in Richtung Lana transportiert – stehen einzelne Gehöfte, auf denen nicht nur Landwirtschaft betrieben wird. Viele Eigentümer haben seit Jahren den Tourismus für sich entdeckt. Neben komfortablen Hotels gibt es Pensionen, Almunterkünfte und andere Übernachtungsmöglichkeiten: Manches modern, manches auch schlichter als im übrigen Südtirol, aber auch mit Charme.

In St. Gertraud und Umgebung machen wir verschiedene Spaziergänge, inspizieren einige Bauernhäuser, oft verziert mit christlicher Symbolik, besuchen die Kirche etwas oberhalb des Dorfkerns. Im 14. Jahrhundert erbaut, so eine Informationstafel, wird vermutet, dass es bereits vorher eine kleine Kapelle gab.

Die „Sensation“ in in St. Gertraud aber sind die drei „Ultener Urlärchen“, mächtige Baumriesen, deren Alter rund 850 Jahren betragen soll. Und wir staunen. Der dickste Stamm hat einen Umfang von über acht Metern. Fast 30 Meter hoch, wurden die Lärchen zu Naturdenkmälern erklärt; sie gelten als die ältesten Exemplare ihrer Art in Europa.

Flechten, Pilze, Algen, Moos und Insektenlarven haben sich in den Stämmen eingenistet. In den Baumhöhlen finden Spechte, Eulen und Fledermäuse Unterschlupf. Doch der Zahn der Zeit nagt. Zwei Lärchen haben die Kronen (Blitzeinschlag bei einem) eingebüsst, die dritte ist schon vor vielen Jahren in einer Höhe von sechs Metern abgeknickt.

Drei Urlärchen bei St. Gertraud im Ultental. (Foto: Oliver Stör)

Ein gutes Stück Weges entfernt vom Ortskern liegt der Weißbrunnsee in 1872 Meter Höhe. Vom dortigen Parkplatz führt der Wanderweg auf die Hintere Eggenspitze, mit 3444 Metern der höchste Berg im Ultental, und die Grenze markierend zwischen Südtirol und der Nachbarprovinz Trentino. Für geübte Kletterer eine vier- bis fünfstündige Tour, wie uns die Hinweistafeln verraten. Dafür haben wir weder die Kondition, noch die notwendige Ausrüstung.

Ein kleines Café lädt zu schmackhaftem Apfelstrudel und Cappuccino, dessen gezuckerte Schaumkrone, garniert mit Kakao, über den Tassenrand schwappt. Gelegenheit, den halben Tag noch einmal Revue passieren zu lassen, ehe wir zur Rückfahrt aufbrechen. Wir haben, so die übereinstimmende Meinung, das urtümlichste und interessanteste Tal Südtirols kennengelernt. Ganz gewiss nur oberflächlich, aber doch in erinnerungswürdiger Form, denn das von eisigen Winden geschützte Ultental mit seinem milden und gesundem Klima hat viele Facetten.

Eine dieser Besonderheiten ist ein eher uriger, sportlichen Wettkampf. Seit 2004 wird der „Ultner Höfelauf“ veranstaltet. Die Hauptstrecke führt über 17,9 Kilometer durch Wiesen und Wälder, vorbei an sage und schreibe 50 alten Bergbauernhöfen. Von Kuppelwies geht es nach St. Gertraud, vorbei an den Urlärchen und wieder nach Kuppelwies. Der kürzere Volkslauf (8,4 Kilometer) führt rund um den malerischen Zoggler Stausee nach St. Walburg und zurück. 

Dieser einzigartige „Event“ gilt in Südtirol als „der Lauf für Genießer“, denn das gemütliche Zusammensitzen nach dem Lauf, das Verspeisen von fester und flüssiger Nahrung der regionalen Köstlichkeiten sowie ein reichhaltiges Rahmenprogramm machen aus dem Lauf ein wahres, familiäres Volksfest. Kein Wunder, dass sich hier Südtiroler und ausländische Freizeitsportler jedes Jahr im Juli gerne für ein paar Stunden vergnügen, sportlich oder kulinarisch.