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Rivieraluft und Palmenflair im Frankfurter Nizzagarten

Das Flugzeug, aus Frankfurt kommend, schwenkt über die Küste und setzt zur Landung in Nizza an. Der Flughafen liegt direkt am Ufer, nahe der Stadt. Wer an die Côte d’Azur, Monaco oder Cannes möchte, oder gar in die Französischen Seealpen, wird an diesem Airport nicht vorbeikommen. In Nizza sind alle Zutaten vorhanden, die zur Riviera gehören: Palmen, Zypressen, laue Luft, ein Hafen voller Motor- und Segelyachten, lebhaftes Treiben in der Innenstadt mit exklusiven Geschäften und Restaurants, Andenkenläden mit Touristen-Klimbim. Auf der Fahrt in das Hotel schnuppere ich durch das offene Taxi-Fenster Frühlingsluft, wärmende Sonnenstrahlen erzeugen ein angenehmes Gefühl. Ganz anders als in Frankfurt, wo ich eineinhalb Stunden zuvor aus neblig-trübem Himmel aufgestiegen bin.

Nizza besuche ich zum ersten Mal, aber gleichwohl kenne ich die Stadt. Nicht in Details, aber Alfred Hitchcock hat mir schon vor Jahrzehnten Einzelheiten auf der Kino-Leinwand erzählt, als er Cary Grant als vermeintlichen Juwelendieb Über den Dächern von Nizza herumturnen oder mit Grace Kelly atemberaubende Autofahrten über kurvenreiche Küstenstraßen unternehmen ließ. Auch wenn die Außenaufnahmen an verstreuten Orten gemacht wurden, blieb doch ein Eindruck der Stadt, in der alljährlich auch das legendäre Radrennen Paris-Nizza endet, und mit dem OGC Nizza ein Fußball-Club der ersten französischen Liga seine Heimat hat.

Am Mainufer gedeihen auch Palmen. (Foto: Signale/ES)

Ich bin zwei Tage in diesem Nizza gewesen, habe es nur oberflächlich kennengelernt, aber dafür kenne ich ein anderes umso besser, habe es unzählige Male flanierend durchstreift: Das Nizza in Frankfurt. Es kann nicht mit der Stadt an der Riviera konkurrieren, das wäre lächerlich. Aber es kann jenen Hauch südländischer Atmosphäre verbreiten, der notwendig ist, um den tristen, schmutzigen Main ein wenig freundlicher erscheinen zu lassen. 

Der Park zieht sich einen Kilometer zwischen Untermain- und Friedensbrücke am nördlichen Ufer entlang; seltsamerweise herrscht in diesem Bereich ein Klima, das exotische Pflanzen gedeihen lässt. Während auf der Straße am Untermainkai lärmender Verkehr vorbeifliesst, lässt sich ein paar Meter tiefer auf der Promenade gemächlichen Schrittes lustwandeln…

Oft bin ich an milden Frühlingstagen, heissen Sommerabenden oder in farbenfrohen Herbstwochen zwischen dem trübseligen Fluss und den Gleisen der Hafenbahn spazieren gegangen. Auch kürzlich erst, aber es ist Jahrzehnte her, dass ich zuletzt am Grind-Brunnen geschnuppert habe, weil dort hautheilendes, aber nach verfaulten Eiern riechendes, schwefelhaltiges Wasser hervorquoll. Doch der Grind-Brunnen musste 1963 wegen Verschmutzung des Grundwassers stillgelegt werden.

Gut erinnere ich mich an die Rollschuhbahn von Mosler, auf der einst Marika Kilius und Franz Ningel (wer in Frankfurt erinnert sich nicht?) sommers für die winterlichen Eislauf-Wettbewerbe trainierten. Ich schleckte im Restaurant ein Eis und schaute zu, wenn sie ihre Kringel drehten. Das Freibad im Main gab es zu dieser Zeit nicht mehr, Krieg und Flussverschmutzung hatten dem Badevergnügen ein Ende gesetzt. Auch die Rollschuhbahn lebt nur noch in der Erinnerung, Mosler wurde im Zusammenhang mit der Fußball-WM 2006 abgerissen.

Ich frage mich, wie dieses Nizza an den Main kam und erhalte die Antwort in Geschichtsbüchern. Der Frankfurter Stadtgärtner Sebastian Rinz (1782-1861) hatte früh entdeckt, dass in diesem kleinen Abschnitt am Mainufer ein günstiges Mikroklima herrschte, begünstigt durch Sonneneinstrahlung und wuchtig-hohe Kaimauern aus Sandstein, die ständig die gespeicherte Wärme abstrahlen. Sein Nachfolger (und Enkel) Andreas Weber veranlasste 1875 die Stadtverwaltung, Pflanzen aus der Nähe von Nizza zu importieren und anzubauen, was dem Park im Hinblick auf die Herkunft der Gewächse dann den Namen gab: Nizza. 

Die noch blätterlose Platanenallee im Nizzapark. (Foto: Signale/ES)

Die meisten der Gewächse im Nizzapark sind im Gegensatz zu früher frostsicher und können mit entsprechendem Schutz „vor Ort“ überwintern, darunter subtropische Gehölze wie Palmen, Zypressen und Feigenbäume, immergrüne Eichen, Lavendel, Salbei, Erdbeer- und Mammutbaum. Auf engstem Raum sind Setzlinge von Olivenbäumen, Bananenstauden, Korkeichen und Kiwis zu sehen.

Auch unter weniger angenehmen Umständen als im „richtigen“ Nizza kann der Besucher, ob einheimisch oder fremd, mediterrane Flora geniessen: und sich kürzer oder länger erholen, ganz wie er will. Daran ändert nichts, dass eine Zeitlang die Drogenszene und Wildcamper sich hier tummelten und ein kleiner Teil des Areals aus diesen Gründen eingezäunt wurde, und nur noch tagsüber zu besuchen ist. Nachts wäre ohnehin nichts zu sehen.