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Die Halbinsel Alt-Nessebar am Schwarzen Meer

Ein unruhiger Flug, dann die Landung in Varna statt in Burgas, was eine rund 100 Kilometer lange Busfahrt auf kurvenreicher Bergstrecke erforderlich macht. Späte Ankunft in Sonnenstrand (bulgarisch: Slantchev Briag, englisch: Sunny Beach), nächtens eingecheckt im Hotel und kurzer Schlaf, am nächsten Morgen aufgewacht bei strahlend blauem Himmel — ein Blick aus dem Fenster und schier endlos lang scheinender feiner Sand, von der Sonne goldgelb gefärbt und schimmernd an der Schwarzmeer-Küste.

In über einhundert Bettenburgen werden die Touristen in Sonnenstrand beherbergt, aber der Badeort ist nicht nur zum Bräunen, Faulenzen oder Feiern gemacht, wer mag, kann sich auch kulturell bekömmliche Kost zuführen. Das Kontrastprogramm dafür heisst Nessebar, und ist bequem mit Bus, Fahrrad, Taxi, Boot oder sogar auf Schusters Rappen zu erreichen. Die kleine, uralte Stadt liegt nur wenige hundert Meter von Sonnenstrand entfernt sowohl auf dem Festland als auch auf einer winzigen Halbinsel, die mit einen rund 400 Meter langen Damm miteinander verbunden sind. 

Blick auf die St. Ponkratius-Kirche. (Foto: Clipdealer)

Leben und Treiben spielen sich jedoch in der historischen Altstadt der Halbinsel ab, die außer den Wohnhäusern auf etwa 850 mal 300 Meter von Ruinen, Kirchen und Befestigungswällen geprägt wird. In der so genannten „Neustadt“ auf dem Festland hingegen befinden sich Rathaus, Gericht oder die Bibliothek.

Das Kleinod Alt-Nessebar wird, wie andere Urlaubsorte am Schwarzen Meer, vom Massentourismus tangiert, und läuft Gefahr zu einem reinem Rummelplatz zu werden. Gleichwohl wird in diesem Freiluft-Museum hauptsächlich Geschichte präsentiert. Schlendern Interessierte durch die engen Gassen, reiht sich Sehenswürdigkeit an Sehenswürdigkeit, es würde aber zu weit führen, in diesem kleinen Reisebeitrag historische Fakten dieser kleinen Stadt aneinander zu reihen. 

Windmühle am Eingang zur Insel. (Foto: Clipdealer)

Meine Begleiterin und ich haben einen Tagesausflug mit dem Bus gebucht, der uns erst in die Stadt Burgas und in den Badeort Pomorie führt, und mit einem mehrstündigen Aufenthalt in Nessebar endet, ehe es mit einem Boot zurück nach Sonnenstrand geht. Auf dem Hauptplatz der Altstadt erblicken wir gleich nach der Ankunft die Pantokrator-Kirche. Im 13. und 14. Jahrhundert im spätbyzantinischen Stil erbaut, beeindrucken uns die Verzierungen der Kirchenfassade; sie bestehen teils aus dunkelrotbraunen Ziegeln, aber auch anderen Bausteinen in unterschiedlichen Farben und Anordnungen, was ein überaus reizvolles Bild ergibt. Doch „Pontokrator“ ist nicht die einzige Kirche in Nessebar. Zwischen alten Häusern und ruinenhaften steinernen Zeugnissen vieler Epochen stehen zahlreiche weitere Gotteshäuser, intakt oder als Ruine, darunter die Alte Metropolitenkirche aus dem 4. Jahrhundert vor Chr., die mit ihren übereinander liegenden Arkaden imponiert.

Nessebar, was ist das? Forscher haben herausgefunden – so beschreibt es ein Informationsblatt – , dass die ehemalige thrakische Siedlung sich bereits im 5. Jh. v. Chr. zu einem blühenden Gemeinwesen entwickelt hat, das den Namen Mesambria trug. Handelsbeziehungen sollen demnach bis Kleinasien und Ägypten gereicht haben. Einflüsse vieler Kulturen haben auf der Halbinsel ihren Niederschlag gefunden. 

Es gab Krieg und Frieden, wie überall auf der Welt. Doch das ist alles längst vorbei. Heutzutage ist der Tourismus das prägende Element. In der Hochsaison geben sich die Urlauber gewissermaßen die „Türklinke“ in die Hand und schlendern über Asphalt oder Kopfsteinpflaster des Areals, bewundern die für die Altstadt typischen Schwarzmeerhäuser, meist mit steinernem Erdgeschoss und darüber liegenden Stockwerken aus Holz.

Besucher auf Spurensuche. (Foto: Clipdealer)

Das historische Gestern und das moderne Heute vermischen sich. Ein paar Stunden in der Altstadt sind anstrengend. Eine erholsame Pause nach ausgiebiger Besichtigungstour erscheint dringend erforderlich – und auch eine kulinarische Stärkung. Restaurants, Cafés und Imbissbuden sind, insbesondere in der Nähe des kleinen Hafens, genügend zu finden. Genauso wie ein kleiner Supermarkt, Geldwechsel-Automat, Hut-, Sonnenbrillen- und Souvenirläden, in denen Andenken aller Art feilgeboten werden. Die Geschäfte mit der Folklore blühen nicht gerade, gehen aber in der Hochsaison gut, so erklärt uns einer der freundlichen Händler, „vor allem seit Nessebar 1983 Weltkultur- und Naturerbe der UNESCO wurde“, fügt er lächelnd hinzu. 

Thraker, Griechen, Römer, Osmanen und Bulgaren haben über zweitausend Jahre ihre Spuren in Alt-Nessebar hinterlassen. Ein buntes Völkergemisch von Touristen versucht diese Spuren heute zu entschlüsseln…