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Stadtbesuch

Wasserturm in Mörfelden erwacht zu neuem Leben…

Wer mit Automobil oder Fahrrad über die B 44 von Frankfurt am Main in Richtung Groß-Gerau fährt und sich Mörfelden nähert – einem der beiden Ortsteile der Doppelstadt Mörfelden-Walldorf, sieht diesen Wasserturm. Das 35 Meter hohe Bauwerk wurde 1929 erbaut und diente bis in die 60er Jahre der Versorgung der Bevölkerung mit Wasser. 

Als der Turm in Rente ging, wurde das Erdgeschoss zunächst einige Zeit als Zentrum der Jugendförderung genutzt. Naturfreunde sowie andere Vereine fanden Unterschlupf. Später erlebte das Gebäude Führungen interessierter Bürger. Das 2016 gegründete „Projekt Wasserturm“ (überwiegend aus Frauen bestehend) möchte das Gebäude neuerdings wieder verstärkt künstlerisch und kulturell nutzen lassen. Erste Veranstaltungen gingen bereits über die Bühne. Das Gebäudeist also zu neuem Leben erwacht.

Der Wasserturm war für die Einwohner der damals kleinen Gemeinde 30 Jahre lang ein wahrer Segen. Immerhin mussten sich vor 1930 die meisten „Merfeller“ das kostbare Nass mühsam aus eigenen Brunnen schöpfen. Unter solchen Umständen war der Turm für die Menschen eine große Errungenschaft, floss doch nun Wasser aus den neu zu installierenden Leitungen direkt in die Wohnungen und auch die Toilettenspülungen eroberten nach und nach die Wohnhäuser.

Technik

Das war eine für damalige Verhältnisse „revolutionäre Technologie“, wie Heinrich Dirks-Orendi vom Städtischen Bauamt den Besuchern vor einiger Zeit bei einer Besichtigung klar machte. Seiner Aussage zufolge wurden im Turm immerhin 330 000 Liter Wasser vorrätig gehalten.

„Dabei waren Auffüllen und Vorratshaltung eine ziemlich aufwendige Angelegenheit. Denn Tanklaster mussten immer wieder vorfahren, um den oben gelegenen Wasserbehälter zu versorgen. Denn nur aus der Höhe konnte der notwendige Druck aufgebaut werden, um die Leitungen zu durchströmen.“

Doch es gab auch Probleme. Manchmal lief Wasser auf die nahe gelegene Frankfurter Strasse, weil der Tank überfüllt war. Dann musste die Pumpe zügig abgestellt werden, um eine Überschwemmung auf der Fahrbahn zu vermeiden.

Fluglärm

Das Gebäude hat aber auch noch andere, politische Geschichten. Im Zweiten Weltkrieg diente die Aussichtsplattform wegen ihrer ausgezeichneten Rundumsicht über das Rhein-Main-Gebiet als Koordinierungsstelle für die Flakeinheiten der Wehrmacht, damit waren auch die Einwohner in höchster Gefahr, in den Bombenhagel zu geraten. Als der  Frankfurter Flughafen in den Siebziger Jahren immer weiter ausgebaut wurde,  befand sich ein Protesttransparent gegen Flughafenausbau und Fluglärm am Turm. „Kein Flughafenausbau“ und „Nachflugverbot“ wurden gefordert. Daran war zu erkennen, dass man sich in der Nähe des Frankfurter Flughafens in einer Gemeinde befand, in der seit Jahrzehnten ein erbitterter Kampf gegen die ständige Erweiterung des Airports geführt wurde (und noch wird).

Als der Wasserturm noch mit Protest-Transparenten versehen war… (Foto: Erich Stör)

Inzwischen hat das Stadtparlament mit den Stimmen von SPD, Freien Wählern, FDP und CDU (gegen Grüne und DKP/Linke Liste) im Juli 2016 mit einem Kotau vor Flughafenbetreiber „Fraport“ beschlossen, die Transparente zu beseitigen, weil sie angeblich dem Ansehen der Stadt und der Wirtschaftsansiedlung schaden. Für die Kritiker dieses Beschlusses wird jedoch vor allem die über Jahrzehnte gewachsene Identität der Menschen mit ihrer Stadt im Hinblick auf Kampf gegen Fluglärm und der permanenten Erweiterung des Flughafens zerstört.

Antennen

Telefonanbieter betreiben auf dem Dach des Wasserturms ihre Antennen; außerdem sind dort Richtfunkanlagen der Polizei und der Stadt Mörfelden-Walldorf vorhanden. Eine Sirene ist ebenfalls zu sehen (und manchmal zu hören). Gelegentlich gibt es Führungen, bei denen den interessierten Besuchern und Bürgern der Stadt dann alle diese Fakten erläutert werden – und auf 133 Stufen darf man dann auch bis ganz nach oben aufsteigen…