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Rodolpho Lindt und sein Gespür für Schokolade

Beim Schlendern durch den Supermarkt komme ich auch an einem Regal vorbei, das mit Süßigkeiten aller Geschmacksrichtungen gut gefüllt ist. Hervorstechend sind die nebeneinander aufgereihten Schokoladen-Tafeln. Der Marken und Sorten gibt es viele, am beliebtesten sind, wie ich den Fächern entnehme, offensichtlich Zartbitter-, Halbbitter- , aber vor allem Vollmilch-Schokoladen, auch mit Nüssen angereicherte Tafeln werden wohl gerne gekauft, ebenso die „Weiße“, obwohl gerade sie von Experten nicht als die gesündeste eingestuft wird. 

Beim Blick auf die verlockenden Angebote erinnere ich mich an einen einige Jahre zurückliegenden Besuch in einer Schweizer Fabrik. Im Städtchen Brog, dem Kanton Fribourg in der Westschweiz zugehörig, arbeitet immer noch der älteste Schweizer Schokoladenhersteller, der seit Jahren zu einem weltweit agierenden Konzern gehört, und dort ließen sich bei einem Rundgang in der so genannten „Show-Abteilung“ des Werkes viele der Geheimnisse von Kakao und Milch entschlüsseln.

Conchieren

Bei einer Führung durch verschiedene Räumlichkeiten wird dem Besucher die vielfältige Geschichte der Schokolade nahegebracht. Der Bogen spannt sich von der mühevollen Ernte und Handel der Kakaobohnen bis hin zum Zermahlen der Bohnen, der Herstellung der Schokoladenmasse sowie der Fertigung der Tafeln. Am Ende wird nicht mit der Erklärung gespart, Schokolade mache die Menschen glücklich. Doch wer hätte das nicht ohnehin gedacht? 

Die einzelnen Schritte zur Herstellung von Schokolade sind diffizil und ich will sie hier im Detail gar nicht aufführen, außer dem Hinweis auf das Conchieren vielleicht. Erfunden wurde dieses Verfahren 1879 von einem gewissen Rodolpho Lindt, dessen Name noch heute für eine der bekanntesten Schweizer Marken steht, ein Konkurrent zur Fabrik, in der ich mich gerade befinde. Beim Conchieren wird die Schoko-Masse in einem Behälter tagelang gerührt und zugleich auf 50 bis 90 Grad erhitzt.

Und was ist der Sinn dieses Conchierens? Das intensive Rühren soll die festen und flüssigen Bestandteile der Schokoladenmasse miteinander verbinden. Jedes noch so winzige Teilchen des gemahlenen Kakaos wird dabei von Kakaobutter eingeschlossen. Dabei können sich die Aromen intensiv entfalten und gleichmäßig in der Schokoladenmasse verteilen. Auch unerwünschte Bitterstoffe des Kakaos werden eliminiert und machen die Schokolade cremig und zugleich mild.

Wer eine Schokoladenfabrik besucht, wird in der Regel nur mit der Produktion der Süßwaren konfrontiert. In der alteingesessenen Firma, in der ich zu Besuch bin, wird jedoch eine große Show geboten, die mich irgendwie an das Disneyland erinnert. In einem begehbaren „Theater“ werden ständig visuelle Effekte eingesetzt. Licht und Ton dominieren eine virtuelle Reise,  bei der die Gäste total auf Schokolade eingestimmt werden. Nach dem Rundgang ist das moderne Industrielager zu besichtigen, vollgestopft mit Rohmaterialien zur Herstellung der rechteckigen Tafeln oder auch von Pralinen.

Schokolade über Schokolade. (Foto: Clipdealer)

Siebzig Tonnen Süßwaren aller Art verlassen täglich die Fabrik, und Bruchstücke davon dürfen nach Schluss der Führung kostenlos von den Besuchern verzehrt werden. Nicht ganz umsonst allerdings, denn der Preis für die Besichtigung beträgt für einen Erwachsenen immerhin 15 Schweizer Franken. Wer von dieser Nascherei nicht genug hat, kann sich in einem angeschlossenen Ladengeschäft mit Schokolade diverser Varianten eindecken, gegen Bezahlung versteht sich. 

Kakaobauern

Schokolade zu verzehren, scheint also ein Genuss ohne Reue zu sein, doch auch hier gilt: Die Dosis macht es! Bei zu viel Nascherei kann die positive Wirkung der Schokolade nahrungstechnisch gesehen schnell ins Gegenteil umschlagen, was mehr als bitter aufstoßen kann. Und bitter bleibt die süße Schokolade auch insofern, als das Ernten von Kakao (insbesondere in Ghana und der Elfenbeinküste) trotz der Bemühungen verschiedener internationaler Organisationen, die sich Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen aufs Panier geschrieben haben, noch immer mit miserabler Entlohnung für die Bauern und Kinderarbeit belastet ist.

Bei diesem bitteren Aspekt der süßen Schokolade bleibt also noch einiges zu tun, auch wenn bei den einkaufenden und produzierenden Konzernen unter dem Druck der Verbraucher die Einsicht wächst, Verantwortung übernehmen zu müssen. Es ist noch ein langer Weg…