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Stadtbesuch

„Stadt der Skulpturen“ am Rande des Flughafens

Seit einem Vierteljahrhundert wird jedes Jahr im August im Bürgerpark Mörfelden-Walldorf die Freiluft-Ausstellung „Skulpturen im Park“ veranstaltet. Von den dort präsentierten Kunstwerken sind in beiden Ortsteilen verschiedene Werke namhafter Künstler als Leihgaben aufgestellt worden; auch einige Verkehrskreisel wurden mit Skulpturen bestückt, andere wurden von der Gemeinde nach-Ausstellungsende günstig erworben oder geleast. Bekannte Bildhauer haben in der Vergangenheit ihre Werke präsentiert, darunter Roger Rigorth, Alf Becker, Hans Steinbrenner, E. R. Nele, Vera Röhm, Rudolf J. Kaltenbach, Pia Grambart oder Ottmar Hörl (Nürnberg). Andere Künstler kommen aus entfernten Orten wie Berlin, Hamburg, München oder sogar aus den USA.

Die Freiluft-Ausstellung, 1998 von Otto Schaffner und einigen engagierten Mitstreitern ins Leben gerufen, bildet die Grundlage für die besondere Rolle Mörfelden-Walldorfs als Skulpturenstadt. In der Doppelstadt stehen inzwischen die zweitmeisten modernen Kunstwerke an öffentlichen Wegen, in Parkanlagen und geeigneten Plätzen Deutschlands: umgerechnet auf je 1000 Einwohner.

Wie wichtig der Skulpturenpark von Mörfelden-Walldorf ist, zeigt ein Eintrag in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia:

„Der Skulpturenpark zeigt zumeist eine bunte Mischung aus figurativer Kunst, abstrakter Kunst, Objekten und Installationen. Klassische Bildhauerei in Stahl und Bronze ist in der Regel ebenso vertreten wie Werke aus Holz, Keramik und Stein. Materialien wie Bambus, Beton oder Nylonstrumpfhosen verweisen auf Ausdrucksformen der Skulptur der Gegenwart.“

Aus der Fülle von Skulpturen, die im Stadtgebiet von Mörfelden Walldorf zu finden sind, habe ich drei ausgewählt, die mir beeindruckend erscheinen: Der „Lauscher“, das „rote K“ und der „Himmelstein“. Der von Roger Rigorth geschaffene „Lauscher“ aus Holz, Stahl und Aluminium (siehe: Titelbild) spricht für sich. Das voluminöse Werk des 1965 in Saanen geborenen und in Hessen lebenden Schweizers wurde beim Skulpturenpark 2003 mit dem ersten Preis ausgezeichnet und anschließend von der Stadt Mörfelden-Walldorf erworben und am Bürgerhaus in Mörfelden aufgestellt. Die „Ohren“, die in den Himmel weisen, sind verstellbar, so dass es ein wahrhaft lebendiges Kunstwerk ist.

Rätselhaftes K, verbunden mit einem Basalt-Lavastein in Walldorf. (Foto: Erich Stör)

Im Stadtteil Walldorf steht an einem Rad- und Spazierweg nahe eine Supermarktes das aus Jahrmillionen Jahre altem Basalt-Lavastein und modernem Stahl geschaffene Werk des Künstlers Alf Becker, der an der Folkwang-Schule in Essen Grafik und Bildhauerei studierte. Offen ist für mich, für was das rote K steht: Für Kunst oder für Kontrast. Oder gar, wie gelegentlich fabuliert wird, für Klimakatastrophe — oder in diesem Zusammenhang wie von Becker selbst angedeutet: Kipppunkt? Jedenfalls gibt die Kombination von Buchstaben und Stein dem Betrachter Rätsel auf.

Der so genannte „Himmelstein” schmückt seit 2012 den Verkehrskreisel am Vitrolles-Ring, Ecke Zillering in Mörfelden. Es handelt sich um eine Leihgabe des Bildhauers Rudolf J. Kaltenbach. Dieser naturblau angehauchte Stein besteht aus sehr beständigem Quarzit, kommt aus Brasilien und ist entschieden teurer als herkömmlicher Stein.

Der „Himmelstein“ inmitten eines Verkehrskreisels in Mörfelden. (Foto: Erich Stör)

Mit einem Frachter kam der Koloss von Brasilien nach Bremen und von dort per Zug nach Brück in Brandenburg, wo ihn Kaltenbach bei einer Granitfirma mit einer Diamantsäge bearbeitete. Das blassblaue Innere soll Kaltenbach dazu angeregt haben, den Stein zu „öffnen“, um das Innere sichtbar zu machen. Kunst ist eben vielseitig…

Zu den Künstlerinnen, die beim jährlichen Skulpturenpark präsent waren, gehört Pia Grambart aus Frankfurt. Sie zeigte vor einigen Jahren den entzückten Besuchern verschiedene Tiere und Fabelwesen, darunter waren der kesse Hund Clive, das Monster Fred und das Schwein Petunia. Am besten gefiel dem begeisterten Publikum die Kuh Marsha, die frech grinsend und mit einem Bein die Hüfte stützend in den Bürgerpark blickte. Für diese Darstellung erhielt Pia Grambart den Publikumspreis.

Marsha, die freche Kuh der Frankfurter Künstlerin Pia Grambart. (Foto: Erich Stör)

Der künstlerische Werdegang dieser Künstlerin ist international geprägt. Nach der Schulzeit belegte Pia Grambart in Toronto Kurse in dem „Ontario College of Art“. Sie lebte und arbeitete in Toronto und Frankfurt, zwischenzeitlich aber auch in Paris und Tokio. In Frankfurt studierte sie Kunst und Kommunikationsdesign in der »Academy of Visual Arts« und später Aktzeichnen in der „Städel-Abendschule“.

Pia Grambart erklärte, warum sie am liebsten mit Tierfiguren arbeitet:

„Ich kann durch die Tiere Emotionen und Gefühle gut transportieren, weil Tierformen neutraler sind als Menschen.“

Die  Figuren wirken humorvoll, fröhlich und skurril zugleich. Die Grundhaltung der Künstlerin zeugt von Optimismus. Kräftige Farben unterstreichen das noch und verleiten immer wieder zum Schmunzeln. Die Freiluft-Ausstellung in der Doppelstadt Mörfelden-Walldorf war wie geschaffen für Grambarts Figuren.