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Reise

Eismensch Ötzi badete nie im Stausee von Vernagt

Eine traumhafte Landschaft ist im Schnalstal zu finden, wo einstmals der berühmt gewordene Eismensch Ötzi lebte. Von der Staatsstraße 38 im Südtiroler Vinschgau führt der Weg von Naturns aus vorbei an Schloß Juval, in dem Bersteiger-Legende Reinhold Messner lebt und ein Museum eingerichtet hat. Nach kühnen Straßenkehren und hinter den Fraktionen „Karthaus“ und „Unsere Frau in Schnals“ liegt das Dorf Vernagt am gleichnamigen Stausee, der in den Fünfziger Jahren erbaut wurde, und in dem nach der Inbetriebnahme damals acht uralte Bergbauernhöfe im Wasser versanken. Eine Wanderung um den See drängt sich förmlich auf.

Wenn der Pegelstand besonders niedrig ist, ragt (ähnlich wie am Reschensee) die Turmspitze einer versunkenen Kapelle aus dem Wasser, die 65 Meter hohe Staumauer steht wie ein mächtiger Wächter vor dem rund 1,26 Quadratkilometer großen, künstlich angelegten Gewässer, das von den Etschwerken Bozen und Meran betrieben wird. Strom fließt für den Vinschgau, das Etschtal, Meran und Bozen… 

Hoch über der Kirche liegen einsame Bauernhöfe in der gleißenden Sonne. Noch weiter oben ist eine geschwungene Bergkette zu sehen. Irgendwo da oben, nahe der Similaun-Hütte, wurde 1991 in 3000 Meter Höhe jener „Mann aus dem Eis“ gefunden, der inzwischen als „Ötzi“ im Archäologiemuseum von Bozen seine letzte Ruhestätte gefunden hat.

Als er sich vor Tausenden Jahren auf seinen beschwerlichen Weg in die Berge machte, gab es den See noch nicht, sondern nur pure Natur, in der sein Bild verweht wurde wie eine Spur im Sand. Ötzi badete nie im See von Vernagt…

Es soll heute nicht so beschwerlich werden wie es einst „Ötzi“ hatte: nur eine Rundwanderung um den schimmmernden See, meist smaragdgrün, manchmal eher blau. Wir gehen auf dem Weg Nr. 13b rechts am Ufer entlang. Kurz vor dem Ende des Sees führt der schmale Pfad immer steiler bergauf. Wir klettern Holzstufen hinauf und queren auf einer schwankenden, aber stabilen Hängebrücke den rauschenden Schnalser Bach, der den See speist. Vom weitesten Punkt der Rundwanderung steigen wir an der anderen Uferseite – allerdings sehr hoch oben und nun auf dem Weg Nr. 13a – durch den Wald abwärts zum Ausgangspunkt zurück.

Blick auf die Staumauer bei niedrigem Wasserstand. (Foto: Erich Stör)

Höchste Vorsicht ist angesagt, den der abschüssige Weg ist uneben, Wurzelholz ragt aus dem Boden, es sind im wahrsten Sinne des Wortes „herausragende“ Stolperfallen. Eine Frau mit Kinderwagen, die uns entgegenkommt, hat Mühe mit dem Aufstieg und sie fragt ein wenig ratlos und schwer atmend nach der Länge des noch bevorstehenden Weges. Sie hat wohl die Empfehlung, dass der Weg nicht für Kinderwagen geeignet ist, übersehen…

Wir treten jedoch bald aus dem Wald hinaus auf die Lichtung und ganz flach geht es nun über die letzten knapp 500 Meter auf der Staumauer zurück zum Parkplatz. Zweieinhalb Stunden waren wir unterwegs, eine Wanderung, die durchaus ein Erlebnis der besonderen Art war… Wieder einmal ein Stück Südtirol wie aus dem Bilderbuch.