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Stadtbesuch

In der Linie 5 vom Wiener Westbahnhof zum Prater

Nur etwas über eine halbe Stunde fährt man mit der Straßenbahnlinie 5 vom Wiener Westbahnhof zum Volkspark Prater nahe der Donau. Dabei lässt sich Österreichs Hauptstadt auf eine andere Art als üblich entdecken. Bedeutende Sehenswürdigkeiten der Stadt lasse ich dabei links liegen, habe ich sie doch im Wiener Zentrum zum größten Teil auf Schusters Rappen erkundet: Die Alte Hofburg ebenso wie das große Rathaus, natürlich das legendäre, berühmte Burgtheater, die Spanische Hofreitschule, die Staatsoper, das Parlamentsgebäude ebenso wie den Stephansdom. Das legendäre Hotel Sacher habe ich nur von außen besichtigt, eine Übernachtung in diesem Haus verbietet sich (für mich) aus einleuchtenden, pekuniären Gründen.

Wien, Wien, nur du allein… Alles Wichtige ist abgehakt, wie es sich für einen Stadtfremden gehört, und nebenbei den Fiakern bei ihren Rundfahrten mit den Touristen zugeschaut. Auch jener östliche Teil der Mariahilfer Straße, die vom Westbahnhof in die belebte Innenstadt führt, ist gründlich erforscht. Laut Wiener Tourismusbranche ist dieser „Boulevard der Superlative“, in dem sich Geschäft an Geschäft reiht, die Einkaufsstraße Nr. 1 der österreichischen Metropole. Na, ja! Klappern gehört für die Werbeleute auch hier zum Handwerk…

Im Café Westend, einem jener typischen alten Wiener Cafés, habe ich eine Melange bestellt, aber beim Trinken dieses cappuccino-ähnlichen Milchkaffees nicht jene Gelassenheit gezeigt, die ein Kaffeehausbesucher in Wien an den Tag zu legen hat. „Nur nicht so hektisch, der Herr…!“ Die Eile hat indessen ihren Grund, möchte ich doch noch in den Prater, denn dort „blühn wieder die Bäume“, wie schon vor Ewigkeiten Robert Stolz komponierte. Der Tag ist schön, wie komme ich also am schnellsten hin?

Straßenbahn-Ziel Prater mit Riesenrad. (Foto: Clipdealer)

Mit dem Taxi mag ich nicht, also doch besser mit der U-Bahn? „Da müssen sie aber umsteigen, fahren Sie ohne Stress mal mit unserer Straßenbahn“, rät mein freundlicher Sitznachbar und empfiehlt die Fahrt mit der Linie 5, die direkt neben dem Café hält. Die Tram fährt vom Westbahnhof in einem weiten Bogen um die Innenstadt herum zum Prater. „Dauert nur eine halbe Stunde!“ sagt der Mann und verabschiedet sich. Ich befolge den Rat und löse ein Ticket.

Wohn- und Geschäftshäuser

Die „Fünfer“, älteste Straßenbahn in Wien, passiert bei ihrer rumpeligen und teils quitschenden Fahrt die Bezirke Neubau, Josefstadt, Alsergrund, Brigittenau und Leopoldstadt. Ich schaue durch die Scheiben und sehe auf der schnurgeraden Kaiserstraße anfangs viele kleine Läden, Cafés mit jungem Publikum, Bürohäuser. Die Bahn fährt hier parallel zum Gürtelring und kreuzt Stollgasse, Burggasse und Westbahnstraße. Später die Blinden- und Laudongasse.

Auf beiden Seiten stehen in Reih’ und Glied drei-, vier- oder fünfstöckige Wohn- oder Bürohäuser. In den Erdgeschossen sind Geschäfte aller Art zu finden: Juweliere, Optiker, Bäckereien, Drogerien, Buchhandlung, Gaststätten, Sex-Shops, Lebensmittelgeschäfte… Autofahrer suchen Parkplätze, eilige Passanten sorgen für lebhaftes Treiben.

Linie 5 an der Haltestelle Währinger Straße/Spitalgasse. (Foto: Clipdealer)

Bald wird es ruhiger, der Blick wandert durch die Scheiben auf das Allgemeine Krankenhaus. In den eher seltenen Kurven der Strecke quietscht und knarrt die Bahn. Die Ansagerin sagt nicht nur die Haltestellen an, sondern auch dies:

Bitte seien Sie achtsam, andere brauchen Ihren Sitzplatz vielleicht notwendiger.“

Die Gegend wird immer großflächiger und lichter. Es geht vorbei an grünen Flächen und Sportplätzen, Geschäften und Wohnhäusern wechseln sich ab, wir passieren den Franz-Josefs-Bahnhof. Die Straßenbahn stoppt vor der Friedensbrücke, die über den westlichen Donaukanal führt. Als wir über die Brücke fahren, sehe ich am Ufer viel Grün, Läufer, Radfahrer und Mütter sind mit ihren Kindern unterwegs. Auf der Wiese liegen die ersten „Faulenzer“ und suchen einfach nur Entspannung.

Endstation

Die Straßen werden noch breiter, linker Hand stehen moderne Wohnblocks. Der Praterstern, ehemals Nordbahnhof, ist erreicht. Endstation! In 35 Minuten habe ich den Park mit seinem berühmten Riesenrad und den vielen anderen bekannten Unterhaltungsangeboten erreicht – ich habe dabei ein Stück „normales“ Wien kennengelernt, das sich deutlich abhebt von den mächtigen Prachtbauten in der Innenstadt, auf die sich der Tourismus konzentriert.

Auch so eine Straßenbahnfahrt hat also ihre Vorzüge… Und der Prater selbst? Das ist eine andere Geschichte.