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Zeitgeschichte

Für die Luftschiffer wird der Ort Zeppelinheim gebaut

Als die Luftschiffe noch Konjunktur hatten, wurde viel in die Infrastruktur investiert.  Auch in die Unterkünfte der Kapitäne und Ingenieure. Die Wohnsiedlung Zeppelinheim wurde Ende des Jahres 2017 achtzig Jahre alt. Dieser Rückblick erzählt einige Details über die Gemeinde, die in den Jahren zwischen 1934 und 1937 errichtet worden ist, um den privilegierten Mitarbeitern der „Deutschen Zeppelin-Reederei“ nach ihrem Dienst angemessene Unterkunft zu bieten.

Die Entstehung von Zeppelinheim hängt eng mit der Geschichte Frankfurts zusammen. Der Flugplatz auf dem Gelände am Rebstock im Westen der Stadt war Ende der Zwanziger Jahre zu eng geworden und entsprach nicht mehr den technischen Anforderungen der damaligen Zeit. Deshalb wurde der Rhein-Main-Flughafen in einem Waldgebiet südwestlich von Frankfurt konzipiert. Westlich der neuen Autobahn, die von Frankfurt nach Mannheim führte, wurde ein Start- und Landeplatz sowie eine große Luftschiffhalle für die gerade in hoher Blüte stehenden Zeppeline errichtet. Zeitgleich mit dem Bau dieses Luftschiffhafens entstand die Wohnsiedlung zwischen dem Forsthaus Mitteldick und der Riedbahnlinie sowie der östlichen Seite der Autobahn. Die Gründungsurkunde für den Ort Zeppelinheim datiert vom 31. Dezember des Jahres 1937.

In mehr als schwülstigen und holprigen Worten gab der hessische NSDAP-Reichsstatthalter Sprenger bekannt, die Selbstständigkeit der Gemeinde Zeppelinheim werde am darauffolgenden Tag in Kraft treten. In der Enzyklopädie Wikipedia läßt sich nachlesen, was Gauleiter Sprenger damals von sich gab:

„Die neue Gemeinde und der Hafen sollen allezeit eine lebendige Erinnerung an den Grafen Zeppelin als den Schöpfer und den unermüdlichen Vorkämpfer der deutschen Luftschifffahrt, ein Beweis für die Erfolge kühner Verkehrsschau und ein Denkmal für alle Zukunft sein, welche Leistungen das unter Adolf Hitler geeinte deutsche Volk zu vollbringen vermag.“

Wer heutzutage durch Zeppelinheim spaziert, kann die historische Bedeutung der kleinen Siedlung gut erkennen. Als ich vor einiger Zeit durch den Ort ging, passierte ich das Zeppelin-Museum, immerhin das zweit wichtigste nach Friedrichshafen, und sah auf den Straßenschildern bekannte Namen der Luftschifffahrt: Den Dr. Eckener-Platz (Eckener war Nachfolger von Graf Zeppelin als Konstrukteur der Luftschiffe), die Kapitän Flemming- und die Kapitän Strasser-Straße.

Von besonderer Bedeutung ist die Kapitän Lehmann-Straße. Sie wurde nach dem Mann benannt, der bei der Luftschiff-Katastrophe am 6. Mai 1937 als mitreisender Beobachter der Geschäftsführung beim Landeversuch in Lakehurst südlich von New York im Feuer ums Leben kam. Außer ihm starben 35 Personen, die als Besatzungsmitglieder oder Reisende an Bord waren.

Unglücksbericht in der Tremonia. (Foto: Signale)

Dem amerikanischen Admiral Rosendahl, der in Lakehurst Chef der Lande-Mannschaft gewesen war, und der sich nach dem Unglück (und auch noch nach Ende des Zweiten Weltkrieges) intensiv für die Luftschifffahrt engagierte, wurde ebenfalls eine Straße in Zeppelinheim gewidmet. Bei Rosendahls Überlegungen zur Fortführung der Luftschifffahrt spielten allerdings militärische Aspekte eine Rolle. Gleichwohl besiegelte das Unglück von Lakehurst im Zusammenhang mit der schnell wachsenden Flugzeug-Konkurrenz das Ende der Luftschifffahrt, wenngleich immer noch Zeppeline am Himmel zu sehen sind. Sie dienen vor allem als fliegende Werbeträger, werden indessen aber auch als Transportschiffe eingesetzt.

In Zeppelinheim selbst gibt es nicht nur die alten Wohnhäuser von einst, sondern Neubauten und inzwischen auch eine Reihe von modernen Bürohäusern und Geschäftskomplexen. So hat eine Bank hier ihren Sitz, es gibt eine Großdruckerei, eine bekannte Werbeagentur und andere Firmen. Moderne Zeiten! Die Einwohner selbst haben indessen nichts mehr mit den Zeppelinen zu tun.

Waldverluste

Wie bei den modernen Erweiterungen des Frankfurter Flughafens (Startbahn West, Landebahn Nordwest) fielen schon in den Dreißiger Jahren viele Hektar Wald den notwendigen Baumaßnahmen zum Opfer. Die Chronik der Stadt Neu-Isenburg berichtet darüber, und über die allgemeinen Entwicklungen von damals bis heute auf ihrer Website:

„Seit 1934 wurden bei den notwendigen Waldrodungen arbeitslose Neu-Isenburger Bürger für 2,50 Mark täglich eingesetzt. 1936 war die Luftschiffhalle fertig. (Kostenpunkt: 14,4 Millionen Reichsmark).  Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges dienten die Häuser der Siedlung rund zehn Jahre den Amerikanern als Unterkunft, bis für sie ein eigenes Wohnviertel in unmittelbarer Nähe des Flughafens im Südteil fertig gestellt war (die so genannte Airbase, heute zum großen Teil Cargo City Süd).“

Zeppelinheim ist mir im Laufe der Jahre auch noch auf ganz andere Art und Weise begegnet. Zum ersten Mal drang mir der Name der Luftschiffersiedlung ins Bewußtsein, als am 22. März 1952 die Paasagiermaschine „Königin Juliane” der niederländischen Fluglinie KML nur wenige hundert Meter entfernt von den Wohnhäusern in den Wald an der nahen Bundesstraße 44 stürzte. Der Unfall forderte 45 Todesopfer.

Zeppelinheim, heute ein Ortsteil von Neu-Isenburg. (Foto: Oliver Stör)

Die Einwohner Zeppelinheims kamen mit dem Schrecken davon. Später dann, als ich meinen Wohnort von Frankfurt nach Walldorf verlegt hatte, fuhr ich fast täglich mit dem Auto an der winzigen Gemeinde vorbei oder passierte sie  per Bahn auf der Riedstrecke zwischen Mannheim und Frankfurt. Dort ist ein Bahnhof eingerichtet, an dem heute die S-Bahnlinie 7 Station macht. Dann geriet Zeppelinheim im Zuge der Gebietsreform von 1975 in die Medien, als sich sowohl die Stadt Frankfurt als auch das nahe gelegene Mörfelden um  Eingliederung bemühten. 

Privilegien

Das Rennen machte dann allerdings das östlich gelegene Neu-Isenburg, weil sich die Zeppelinheimer Einwohner, von denen die meisten nichts mehr mit der Luftschifferei zu tun haben, in dieser Stadt wohl am „besten aufgehoben“ fühlten und ihnen auch einige „Privilegien“ eingeräumt wurden. Die Kinder wurden demnach mit einem Bus auf die weiterführenden Schulen nach Neu-Isenburg (und zurück) transportiert, die Gemeinde- und Grundsteuern erschienen günstig, und der kleine Ort durfte eine Verwaltungsstelle behalten.