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Reise

Altbackene oder moderne Apfelernte in Südtirol

Ein schöner Satz: „Ein Apfel am Tag, mit dem Doktor kei’ Plag!“  („An apple a day keeps the doctor away!“) Die Redewendung – 1913 erstmals in dem Buch Rustic Speech and Folklore von Elizabeth M. Wright erwähnt – drückt überzeugend aus, wie gesund Äpfel für die Menschen sind. Obwohl Äpfel natürlich auf Dauer nicht gegen ernsthafte Erkrankungen schützen können, stärkt der Verzehr den Mineralienhaushalt im Körper und hält auf Dauer fit. Wenn ich daran denke, fällt mir eine Beobachtung bei der Ernte in Südtirol ein…

Südlich von Lana wandere ich auf einem schmalen Pfad durch ausgedehnte Apfelplantagen, einmal wird das Bild unterbrochen von einem Hang mit Weinreben. Bewässerungsanlagen versprühen im Schein der milden Herbstsonne sanften Sprühregen, leichte Wellen kostbaren Wassers geben den Früchten Nahrung. Zwischen den Reihen steht ein Traktor mit Anhänger, auf dem sich Kisten stapeln, einige davon sind schon voller leuchtender Äpfel. Erntehelfer stehen auf Leitern und lassen die Äpfel zuerst in korbähnlichen Umhängetaschen verschwinden. Wenn sie gefüllt und schwer sind von der Last, werden sie in die Kisten gepackt. 

Das ist die alte Art Äpfel zu ernten, die immer noch in Hanglagen oder schwierigem Gelände praktiziert wird. Für flacheres Gelände gibt es helfende Erntemaschinen; zwar muss der Apfel auch dort noch immer von Hand gepflückt werden, kann aber ohne Umweg auf eine Schiene und von dort in die Kisten transportiert werden. Der Bauer erzählt, dass an dieser Stelle wegen des Untergrunds die alte Methode die effektivere ist…

Südtirol ist einer der großen Apfelanbaugebiete in Europa. Zehn Prozent der europäischen Äpfel kommen aus der Region wie ich in der Regionalzeitung „Dolomiten“ gelesen habe. Im Vinschgau zwischen Reschenpass und Meran sind die Bedingungen besonders günstig. Das mediterrane Klima mit meist 300 sonnigen Tagen im Jahr und der meist milde Herbst sind geradezu prädestiniert für eine Qualitätsernte. Aber auch im Etschtal zwischen Meran und Bozen, wo ich mich gerade befinde, sowie an der Weinstraße bei Kaltern gibt es hervorragende Bedingungen für den Anbau, wobei in unterschiedlichen Höhenlagen von 200 bis 1000 Metern über dem Meeresspiegel jede Apfelsorte ihre Chance hat. 

Apfelernte mit modernen Maschinen. (Foto: Industrieblick/stock.adobe.com)

Rund 8000 Familienbetriebe sind damit beschäftigt pro Jahr rund 950 000 Tonnen Äpfel von den Bäumen zu „klauben“, wie es hier heißt. Von den säuerlichen Granny Smith, Idared, Topaz und Morgenduft über die aromatischen Gala, Jonagold, Elstar und Pinova, sowie den saftigen Braeburn, Fuji  und Winesap bis hin zu den klassischen Golden und Red Delicious gibt es für die Apfelfreunde alles, was Herz und Gaumen begehren.

Hinter Südtirol müssen sich die deutschen Anbaugebiete freilich nicht verstecken. Wichtige Apfelregionen in Deutschland sind das Alte Land bei Hamburg, das Bodensee-Gebiet, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, wo auch viele Streuobstwiesen zu finden sind. Im Alten Land werden im Schnitt rund 250 000 Tonnen Äpfel pro Jahr geerntet. Der Bodensee bietet mit vielen Sonnenstunden ebenfalls ein angenehmes Klima, weshalb mehr als 2000 Betriebe in den dortigen Gebieten jährlich rund 220 000 Tonnen pflücken. Und alles dient, abgesehen von der Existenzgrundlage der Bauern, dem alleinigen Zweck: „Ein Apfel am Tag, mit dem Doktor kei’ Plag!“