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Schrottauto berichtet von Schicksalen in „jenen Tagen“

Die Geschichte eines Autos in dem Helmut Käutner-Streifen In jenen Tagen aus dem Jahr 1947 beschreitet einen außergewöhnlichen stilistischen Weg, um am Beispiel eines schrottreifen Autos die dramatischen Erlebnisse seiner Besitzer im „Dritten Reich“ darzustellen und sich mit der Geschichte Deutschlands zu beschäftigen. Der Regisseur bürgte dabei für Qualität, denn auch wenn Käutner nicht zum engeren Widerstand gezählt hatte, wahrte er als stiller Opponent Distanz zur Diktatur.

Käutner hatte 1939 mit „Kitty und die Weltkonferenz“ einen eher harmlosen Unterhaltungsfilm abgeliefert, der von Außenminister Joseph von Ribbentrop jedoch als pro-britisch eingestuft und deshalb in Ungnade gefallen war; auch mit „Unter den Brücken“ und „Große Freiheit Nr. 7″ (beide 1944) drehte Käutner zwei Filme, die in ihrer Betonung des Individuellen dem propagandistischen Weltbild der Nazis widersprachen. „Unter den Brücken“ kam deshalb erst 1949 in die Kinos, „Große Freiheit Nr. 7″ im September 1945. Dieser Farbfilm war zwar kurzzeitig in die Kinos gekommen, aber noch vor Kriegsende verboten worden, weil er nicht dem Weltbild von Propagandaminister Goebbels entsprach.

Kritikerlob

Für die erste kritische Aufarbeitung der Vergangenheit beim Film In jenen Tagen erntete Helmut Käutner von der Kritik viel Lob. In sieben Geschichten wird die Nazi-Zeit dargestellt, wobei eine Rahmenhandlung um ein Auto die Szenen verbindet.

Als zwei Männer nach Kriegsende ein altes Auto ausschlachten, fragen sie sich, inwieweit es in diesen zwölf Jahren wohl Menschlichkeit gegeben hat. Das Autowrack mischt sich (nur für das Publikum hörbar) in das Gespräch ein und berichtet aus seinem und dem Leben der Besitzer. Die Erlebnisse sind dabei vielfältig: Hitlers Machtergreifung und folgende Emigration, die Verfolgung eines Komponisten, zwei Menschen in einer so genannten “Mischehe“, die mit Freitod endet, Widerstandskampf, bittere Kriegserlebnisse an der Ostfront, der 20. Juli 1944 und zuletzt das Drama der Flucht, als in den letzten Kriegstagen ein Kurierfahrer gegen einen Befehl verstösst und stattdessen eine junge Flüchtlingsfrau mit ihrem Kind in Sicherheit bringt. Er wird verhaftet, doch ein Polizist verhilft ihm zur Flucht. Episoden, die Unmenschlichkeit und Menschlichkeit nebeneinander stellen.

Zwei Programmhefte zum Film. (Foto:© Filmverlag Christian Unucka)

Der „Spiegel“ schrieb damals in seiner Kritik, es sei zwar „ein schwerer Film“, aber auch:

„Käutner gibt mit ihm ein Beispiel, dass mit einem dichterisch geschriebenen Drehbuch, einem guten Ensemble mit sehr viel eigenen Ideen und viel Temperament aus dem Erlebnis der Gegenwart Filme geschaffen werden können, die alle angehen.“

In jenen Tagen beschreibt die Nazizeit in erster Linie aus der Perspektive der Opfer, was ihn von anderen Nachkriegsfilmen positiv abhebt. Allerdings wird auf diese Weise der Eindruck verstärkt, das Dritte Reich sei überwiegend von honorigen Menschen bevölkert gewesen, die Gutes bewirkt oder zumindest versucht hätten.

Die Zeitschrift „Die Gegenwart“ urteilte gleichwohl in einer Besprechung im Jahr 1948:

„Schwerlich ist in der deutschen Nachkriegsliteratur so tonlos, so im ‚Nebenbei gesprochenen‘ und so haargenau die kennzeichnende Sprache der Tyrannei festgehalten.“

Erich Schellow und Gert Schaefer sind die Darsteller der Rahmenhandlung. Sie erfahren die Details über das Schicksal der Menschen In jenen Jahren beim Ausschlachten des zerbeulten, alten Schrottautos.

Innenteil des verwitterten Filmbühne-Heftes von 1947. (Fotorechte: Filmverlag Unucka)

Die weiteren Protagonisten der Episoden sind Winnie Markus, Werner Hinz, Karl John, Franz Schafheitlin, Alice Treff, Hans Nielsen, Willy Maertens, Ida Ehre, Erica Balque, Hermann Schomberg, Eva Gotthardt, Hermann Speelmanns, Fritz Wagner, Isa Vermehren, Margarete Haagen, Erwin Geschonnek, Carl Raddatz und Bettina Moissi.