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Reise

Folklore und Asylpolitik im Heidedorf Undeloh

Lüneburger Heide! Eine Landschaft geprägt von Heidekraut und Heidschnucken. Letztere sorgen mit ihren „Knabbereien“ für den Erhalt der Landschaft. Das Dorf Undeloh ist für die vielen Touristen eine ganz besondere Attraktion. Viele Aspekte spielen in den kargen Landschaften eine Rolle. Von Hermann Löns (1866-1914) will ich hier gar nicht erst reden, ist mir der Journalist und Schriftsteller wegen seiner übertrieben national angehauchten Heimatdichterei rund um die Lüneburger Heide und seiner politischen Vereinnahmung durch die Nazis doch eher suspekt.

Doch abgesehen von Löns ist ein Besuch bei den Heidschnucken gleichwohl lohnenswert. Dazu braucht es nicht die schmalzig-triefenden Filmschnulzen aus den Fünfziger Jahren wie etwa „Rot ist die Liebe“ (1956, mit Dieter Borsche, Barbara Rütting, Cornell Borchers) oder „Grün ist die Heide“ (1951, mit Sonja Ziemann, Rudolf Prack).

Bei einer Reise in den Norden ergab sich vor einiger Zeit die Möglichkeit, die Heidelandschaften zu erkunden, die Heidschnucken bei „ihrer Arbeit“ zu beobachten, und einige Orte kennenzulernen, die sich aus pekuniären Gründen ganz und gar dem Tourismus zugewandt haben.

Wir verlassen die Autobahn Nr. 7 nach Hamburg an der Anschlusstelle Egestorf und erreichen nach nur zwei Kilometern die gleichnamige Gemeinde, wo wir in der Lüttringhausener Straße auf den „Egestorfer Hof“ stoßen, in dem wir für zwei Tage Quartier beziehen.

Bald führt uns die Fahrt über Sahrendorf ins nahe gelegene Undeloh, das im niederdeutschen „Unnel“ genannt wird. Die kleine Gemeinde im Naturschutzgebiet Lüneburger Heide hat sich aufgrund von strengen Bauvorschriften ihren dörflichen und zugleich charmanten Charakter bewahrt, so dass hier ein beliebtes Ausflugsziel herangewachsen ist.

Schnickschnack

Am Ortseingang finden wir auf der gesperrten Straße nach Wilsede einen Parkplatz und machen uns nun auf Schusters Rappen auf den Weg, um die Heide zu erkunden. Voll besetzte Kutschen passieren uns, wir schlendern an kleinen Geschäften vorbei, in denen Heidehonig, Heidschnucken-Bratwürste und anderes Schmackhaftes feilgeboten wird. Der übliche Touristen-Schnickschnack fehlt nicht, denn gerade davon leben die Menschen in und rund um Undeloh.

Zu Fuß gehen wir südwärts durch eine schmale Straße in Richtung der weitflächigen Heidelandschaft; die Wege sind holprig zerfurcht und aufgewühlt von den Rädern der Fuhrwerke. Unser Blick gleitet über die karg-schöne Landschaft, die von verkarsteten Heidekraut und mittelgroßen Büschen geprägt ist. In der Ferne sehen wir einen Schäfer mit seinen Heidschnucken, die hier ihr Tagewerk verrichten.

Heidelandschaft in der Lüneburger Heide. (Foto: Clipdealer)

Ohne die Heidschnucken sähe die Landschaft wohl ganz anders aus. Davon hören wir im kleinen „Heide-Erlebnis-Zentrum“, in dem viel Interessantes über Entstehung, Kultur und Pflege der Landschaft erzählt wird. Heidschnucken fressen nicht nur Gras, sondern auch junge Sträucher, Brombeeren, Kiefernsämlinge, Pappel- und Birkenschösslinge. Heidschnucken verhindern mit ihren täglichen Festmahlen, dass Bäume und Sträucher die Heide überwuchern.

Wilseder Berg

Wir erfahren auch etwas über die Herkunft der Tiere. Heidschnucken stammen von den Mufflons ab, die in Sardinien und Korsika zu Hause sind. Hörner werden von weiblichen als auch männlichen Tiere getragen. Zuerst ist das Fell schwarz, doch ein Jahr nach der Geburt werden die Heidschnucken silbergrau, Köpfe und Beine bleiben indessen schwarz. Jenseits der letzten reetgedeckten Fachwerkhäuser haben wir einen einmaligen Blick auf die Heidelandschaft. In der Ferne sehen wir den zirka vier Kilometer weit entfernten Wilseder Berg, mit 169 Metern die höchste Erhebung in der nordwestdeutschen Tiefebene. In Wilsede selbst gibt es ein Museumsdorf, in der Nähe befindet sich auch der so genannte Toten- und Steingrund, wandern lässt sich durch das Radenbachtal oder über den Heidschnuckenweg.

Wir freilich kehren um, sehen uns noch im Dorf um, erblicken jetzt auch in der Dorfmitte die St. Magdalenen-Kirche aus dem 12. Jahrhundert mit einem abseits stehenden hölzernen Glockenturm. Später fällt uns auch ein steinerner Findling auf; der die Aufschrift trägt: „Unnel grüßt sien Gäst“.

Asylbewerber

Das scheint nicht für jedermann zu gelten, sondern nur für jene Besucher, die klingende Münze ins Dorf tragen. Denn als 2013 der Landkreis Harburg 29 Asylbewerbern in Undeloh unterbringen wollte, lehnte der Gemeinderat (CDU 5 Sitze, SPD 2, UWG 2) dies einstimmig ab. Ein Vorgang, der bundesweit in den Medien seinen Niederschlag fand.

Die Begründung der Kommunalpolitiker erinnert irgendwie an Hermann Löns und seine übertrieben national eingefärbten Ansichten:

„Beeinträchtigung des Ortsbildes und die daraus resultierende Gefahr für Tourismus und Immobilienhandel durch die Präsenz von Menschen mit von den Einheimischen abweichenden Merkmalen oder kulturellen Gepflogenheiten.“

Obwohl der Landkreis Harburg später in der Nachbargemeinde Hanstedt eine Lösung fand, darf getrost von einem Makel für Undeloh gesprochen werden, einem Makel, der Schatten auf das schmucke Heidedorf wirft.