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Mogelpackung „Casablanca“ täuscht Kinopublikum

Casablanca, der berühmte us-amerikanische Film mit den Stars Ingrid Bergman, Humphrey Bogart und Paul Henreid in den Hauptrollen kam 1952 aus mehr als fadenscheinigen Gründen in der Bundesrepublik Deutschland in einer verfälschten Fassung in die Kinos. Ein Rückblick auf eines der traurigsten Kapitel der Nachkriegsgeschichte, was die Filmbranche betrifft. Bei einer geselligen Feier kamen wir in diesen Tagen auch auf Casablanca zu sprechen und in der Gesprächsrunde stellte sich schnell heraus, dass die meisten Anwesenden nichts von der Manipulation  des Filmverleihs Warner Brothers wussten. Ein Blick zurück gibt Aufschluss über die Vorgänge von damals. 

Im Jahr 1952 war der Film in den deutschen Kinos angelaufen, darunter auch Anfang September im Frankfurter „Metro im Schwan“. Ein auf Besuch in Deutschland weilender US-Journalist traute seinen Augen (und Ohren) nicht, als er das Machwerk im Kino über sich ergehen lassen musste. Denn aus dem Widerstandskämpfer Victor Laszlo (Paul Henreid) war ein Wissenschaftler gemacht worden, der sich mit mysteriösen Delta-Strahlen befasste, der Caféhaus-Betreiber Rick Blaine (Humphrey Bogart) verkam zum Waffenhändler und war nicht mehr als jener Mann zu erkennen, der, wenn auch zynisch und illusionslos, Hilfe für politisch Verfolgte aus Europa leistete, Ilsa Lund (Ingrid Bergman) nur noch eine Frau, um den Film am Laufen zu halten.

Alle Szenen, in denen deutsche Offiziere auftauchten oder politische Aussagen gemacht wurden, fielen der Schere zum Opfer. Der ursprünglich 102 Minuten lange Film wurde auf nur noch 77 Minuten eingedampft und aus den vorhandenen Szenen ein eher harmloser Abenteuerstreifen gebastelt. Der Vorgang passte haargenau zur restaurativen Bonner Politik der Adenauer-Ära. 

Selbst die Zeitungskritiker erkannten den Schwindel nicht. Das ist unter anderem aus der Besprechung in der Zeitung „Frankfurter Rundschau“ vom 6. September 1952 zu entnehmen. In der Rezension wurde von einem „guten Unterhaltungsfilm“ gesprochen. Und über Victor Laszlo hieß es, er sei ein „von der Polizei verfolgter freiheitlicher Physiker“. Ein Wettrennen um Liebe und selbstlosen Verzicht wurde als Grundthema des Films ausgemacht. Das Original war nicht mehr zu erkennen, was allerdings die Mehrheit des Publikums zum Zeitpunkt der Vorführung nicht wissen konnte: und auch die Kritiker tappten ahnungslos im Dunkeln.

ARD-Fernsehen

Es ist der ARD zu danken, dass 1975, also fast ein Vierteljahrhundert später, eine originalgetreue Casablanca-Version erstellt und im Fernsehen gesendet wurde. Diese Fassung entlarvte das Zelluloid von 1952 als billiges Machwerk der Nachkriegszeit, vor allem geboren aus politischem Kalkül, was sich allerdings zugleich als fatale Beleidigung und Entmündigung eines kritischen Publikums erwies. 

Zwei Stars und ein Klassiker. (Foto: Pixabay/ DekoArt-Gallery)

Nach der ARD-Sendung erfuhr der Film eine Hochblüte, die bis heute anhält. Und über dieses wahre Casablanca ist inzwischen alles hundertfach gesagt worden, offene Fragen gibt es längst nicht mehr. Einige der Sätze aus dem Warner-Emigrantendrama sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen:

„Ich seh‘ dir in die Augen Kleines.“ – „Das ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft.“ – „Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen.“

Casablanca ist in der Originalversion ein SW-Film aus dem Jahr 1942 (USA). – Produktion: Hal B. Wallis für Warner Bros. – Verleih: Warner Bros. – Regie: Michael Curtiz. – Darsteller und ihre Rollen: Humphrey Bogart (als Café-Besitzer Rick Blaine), Paul Henreid (als Widerstandskämpfer Victor Laszlo), Ingrid Bergman (als Ilsa Lund, Ehefrau von Victor Laszlo und Geliebte von Blaine), Claude Rains (als korrupter, französischer Polizeichef Renault), Conrad Veidt (als deutscher Major Heinrich Strasser), Sydney Greenstreet (als undurchsichtiger Signor Ferrari), weitere Mitwirkende: Peter Lorre, S.Z. Sakall, Madelaine Lebeau. –


ZUSATZINFORMATIONEN: Erstaufführungen am 26. November 1942 in New York, 29. August 1952 (verfälschte Fassung) in der Bundesrepublik. – Preise: Nominiert für acht Oscars, gewonnen drei: Bester Film, beste Regie, bestes Drehbuch. — „Casablanca“ steht seit 2007 in der Liste der besten amerikanischen Filme aller Zeiten auf Platz drei hinter „Citizen Kane“ und „Der Pate“. (Eingeordnet vom Amerikanischen Filminstitut).