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Eine Reise im Luxusbus führt bis ins Spaghetti-Land

Es ist hinlänglich bekannt: Italien gilt vielen Deutschen als Traum- oder wenigstens Sehnsuchtsland. Nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges stieg anfangs der Fünfziger Jahre die Reiselust in den „Stiefel“ sprunghaft an. Deshalb wurden schon bald die ersten interessanten Urlaubsreisen angeboten. Am 3. Juni 1950 offerierte zum Beispiel das „Bayerische Reise- und Verkehrsbüro“ in einer Annonce den Lesern der “Frankfurter Rundschau“ unter dem Titel „Die große Reise-Sensation“ eine exklusive „Großfahrt im Super-Luxus-Autobus“ nach Tirol und Großglockner sowie anschließend nach Venedig und an den Gardasee. Kostenpunkt für die zwölftägige Tour: 286.50 Deutsche Mark. Was aus heutiger Sicht preisgünstig erscheint, war für die damalige Zeit happig, denn noch Ende der Vierziger Jahre bildeten Reisen für die 1949 zu Bundesbürgern gewordenen Westdeutschen eher die Ausnahme. 

Das durch die Währungsreform 1948 knapp gewordene Geld konnte nur selten in einen Urlaub gesteckt werden, waren doch die durch den Zweiten Weltkrieg geschlagenen Wunden immer noch deutlich spürbar. Erst im Sommer 1950 konnten sich viele Menschen wieder eine kleine Auszeit gönnen. Oberbayern, Allgäu, die Bodensee-Region und der Schwarzwald sowie Badeorte an Nord- und Ostsee waren die bevorzugten Ziele. Als ab dem 1. Juli das Reisen erleichtert wurde, weil für die Grenzpassagen nur noch ein Pass benötigt wurde (zuvor war eine Ausreisegenehmigung erforderlich gewesen) eröffnete sich am Horizont auch für die Reisebranche ein neuer Markt: das Ausland!

Italien im Visier

Um besser planen zu können, befragten Meinungsforscher im Auftrag der Reiseveranstalter nach dem Lieblingsland der Bürger. Mehr als 30 Prozent der Befragten geben als Wunschziel Italien an, was keine allzu große Überraschung war, hatten die Deutschen doch schon immer eine Affinität zu Bella Italia, obwohl italienische Gastarbeiter hierzulande oft genug als „Faulenzer“ oder (noch lieber)„Spaghettifresser“ bezeichnet wurden. 

Gleichwohl galt schon seit Altmeister Goethe Italien als Traumland. Immerhin hatte der Frankfurt-Weimarer Dichterfürst bereits 1795 mehr als sehnsuchtsvoll gefragt:

Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn,
Im dunklen Laub die Gold-Orangen glühn?.
Ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht,
Die Myrthe still und hoch der Lorbeer steht?

Der Deutschen Reiselust wurde im „Wirtschaftswunder“ der Fünfziger Jahre auf jeden Fall tüchtig angekurbelt. Beförderungsmittel waren hauptsächlich Bus und Bahn, wer schon im eigenen Vehikel die Alpen überquerte, musste sich unter Umständen auf ein Abenteuer gefasst machen, waren doch viele der Kleinwagen nicht gerade für die Passfahrten geeignet. Trotzdem tuckerten Goliaths, Lloyds, DKWs, Fords, Champions und natürlich VW-Käfer über die nur unzulänglich ausgebauten Bergstraßen. Von der Brenner-Autobahn (eröffnet erst 1963) war noch lange nicht die Rede. Als Transportmittel für Reisegruppen waren auch Sonderzüge der Bundesbahn gefragt: und natürlich Omnibusse.

Klischees

Angetrieben wurde in den Fünfziger Jahren dieser Italien-Boom auch von jeder Menge musikalischen Kitschs. Rudi Schuricke sang schmalzig und unentwegt die Ballade von den Caprifischern; Catarina Valente sprach die Einladung aus: ”Komm ein bisschen mit nach Italien, komm ein bisschen mit ans blaue Meer“ (1956); Lys Assia machte im gleichen Jahr „Arriverderci Roma“ zum Hit. 1957 veröffentlichte die Berliner Schriftstellerin Barbara Noack ihren heiteren Roman „Italienreise, Liebe inbegriffen“. Sehnsuchtsbefeuerung im Radio und auf dem Buchmarkt. 

Alle nur denkbaren Klischees wurden in jenen Jahren strapaziert. Es fing beim Meer und seinen Stränden an, ging mit lauschigen Tavernen weiter, und endete bei den Papagallos, jenen jungen Schönlingen von (angeblich) meist einfältigem Gemüt, die den Touristinnen überall das Leben versüßen wollten: und es oft genug auch taten. Bella Italia!