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Panorama

Der 50. Grad nördlicher Breite ist nicht zu fassen…

Wer vom Stadtteil Walldorf ins nahe gelegene Mörfelden fährt (oder umgekehrt), passiert an der Bushaltestelle Vitrollesring ein Hinweisschild, das den Bewohnern und Besuchern der Stadt erzählt, das just an dieser Stelle der „50. Grad nördlicher Breite“ verläuft. Tausendfach wird dieser Breitengrad täglich von den Menschen zu Fuß, im Bus oder Auto gequert, ohne das er bemerkt wird. Das ist kein Wunder, denn die imaginäre Linie des Breitengrades ist weder sicht- noch spürbar, obwohl der ganze Erdball von der Gitternetz-Einteilung der 180 Breiten- und 360 Längengrade überzogen ist. 

Für die Luft- und Seefahrt ist die geographische Fixierung der Erde  in Längen- und Breitengrade wichtig. In Zeiten von GPS, Glosnass  und Geocaching hat ein größer werdender Kreis von Interessenten gelernt, mit Koordinaten umzugehen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass bei automobilen Orientierungsfahrten bereits in den 60er Jahren Koordinatenpunkte gesucht werden mussten.

Der „50. Grad nördlicher Breite“ hat keinen besonderen Charakter, wie so viele andere auch. Allerdings gilt die Linie den Winzern weltweit als die nördlichste Grenze für gelungenen Weinanbau. Auf Deutschland bezogen erfüllen Weine aus Baden, Württemberg, Rheinhessen, Bergstrasse, und Franken genau wie die Pfälzer-, Mosel- und Saar-Weine dieses Kriterium. 

Gleichwohl bildet der „Fünfzigste“ keine messerscharfe Trennlinie, sondern gibt einen annähernden Wert wider. Schließlich kommen gute Sorten seit langem auch aus dem Rheingau, dem weiter nördlich gelegenen Ahrtal und von Saale-Unstrut. Neuerdings macht sich auch die Kasseler Region mit Weinanbau einen Namen – was auch daran liegen mag, das sich infolge des Klimawandels mit zunehmender Erderwärmung die Weinanbaugrenze mittlerweile weiter nach Norden verschoben hat.

Gedenksteine

Viele Kommunen sind bemüht, mit Gedenksteinen- oder tafeln die Lage an „runden“ Breiten- oder Längengraden für touristische und werbliche Zwecke zu nutzen. In Walldorf gibt es neben dem Schild am Vitrollesring einen im Bürgersteig der Piemontstrasse eingelassenen Hinweis. In der Mainzer Innenstadt werden am Gutenbergplatz die Fußgänger plakativ auf den 50. Breitengrad aufmerksam gemacht. Auch in anderen Orten sind entsprechende Hinweise zu sehen. In der Röntgenstrasse in Langen steht ein Gedenkstein, in Dreieich gibt es im Ortsteil Dreieichenhain sogar eine Straße „Am Breitengrad“.

Virtuelle Reise

Mit dem Finger über die Landkarten zu fahren und unbekannte Erdteile, Länder oder Städte zu entdecken, war früher ein beliebter Zeitvertreib. Warum nicht auch heutzutage? Brechen wir also zu einer virtuellen Reise auf. Wir beginnen in unserem Wohnort Walldorf und der Weg führt uns in Richtung  Osten nach Dreieich und Langen. 

Über das Seligenstädter Autobahnkreuz geht es zur Spessart-Stadt Lohr. Weiter geht die Reise über Knetzgau und Sand am Main in Richtung Oberpfalz, wo sich in der Nähe von Marktredwitz und Waldsassen der Breitengrad in Richtung Tschechien verabschiedet.

Richtung Osten

Jetzt wird es international. Wir sitzen in einem Flugzeug und fliegen vorbei an Prag (Tschechien), Krakau (Polen), Tarnow (Polen), Charkow (Ukraine), weite Landstriche Russlands liegen unter uns, in Kasachstan streifen wir Karaganda und Ust-Kamennogorsk. Über Ulan-Gom (Mongolei) und ein Stückchen China geht die Reise über die Insel Sachalin (Russland) und den nördlichen Teil des Pazifischen Ozeans nach Kanada, wo wir das kleine Portage la Prairie in der Provinz Manitoba bei Winnipeg sehen.

Wir bewegen uns über Neufundland und den Atlantischen Ozean zum Leuchturm bei Lizard Point (Cornwall in Südengland), sehen unter uns Bastogne (Belgien), kommen zurück in die Bundesrepublik, wo wir dicht an Wittlich/Eifel vorbeischrammen, überqueren die Mosel und den Hunsrück, sehen unter uns Rhein und Rüdesheim, überqueren Mainz, das Opelwerk in Rüsselsheim, den südlichsten Zipfel der Startbahn-West am Frankfurter Flughafen und landen wieder am Vitrollesring in Walldorf.

Ohne Gewähr

Weil der 50. Breitengrad recht weit im Norden des Erdballs verläuft, ist er nur rund 25 000 Kilometer lang, während der Erdumfang am Äquator immerhin etwas über 40 000 beträgt. Es ist also nur eine „kleine Weltreise. Eine Gewähr für alle Ortsangaben und Zuordnungen kann nicht übernommen werden, sind die zugrunde liegenden Landkarten wegen ihrer großen Maßstäbe ziemlich unpräzise. 

Selbst in Mainz ist der auf dem Gutenbergplatz eingelassene Hinweis nicht korrekt, verläuft doch der tatsächliche Breitengrad durch naheliegende Gebäude. Und so ähnlich ist es wohl auch anderswo… Nur die professionellen Landvermesser haben den tatsächlichen Überblick.